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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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bald wurde mir klar, dass sie uns mit ihrem Geplauder schlau durch die Gefahren und Ängste der steilen Fahrt hindurch zur Hawksbill Road gelotst hatte.

37
    Wir erreichten die Straße vier Meter vor dem am Rand stehenden Hummer. Durch eine frisch entstandene Schneewehe wühlten wir uns zu der nach Süden führenden Fahrspur durch, die fast schneefrei war.
    Nicht weit vor uns bahnten zwei Fahrzeuge der Straßenmeisterei einen Weg zur Stadt. Vorneweg fuhr eine mit einem schräg montierten Pflug versehene Planiermaschine auf riesigen Reifen, dahinter kam ein Lastwagen, der Salz und Asche streute.
    Ich folgte dem Lastwagen in sicherer Entfernung. In diesem miserablen Wetter hätte uns auch eine Polizeieskorte nicht schneller zur Stadt bringen können.
    Der Nachthimmel verbarg sich hinter dem üppig fallenden Schnee, und der Wind verriet sich nur durch weiße Schleier, die sich wirbelnd um sich selbst drehten, wogten und flatterten.
    Ebenso unsichtbar, wenn auch nicht mehr lange, tat das Baby ungeduldig kund, dass es nach neun Monaten Eingesperrtsein endlich frei sein wollte. Lorries Wehen kamen nun regelmäßig. Sie berechnete den Abstand mit ihrer Armbanduhr, und durch ihr Stöhnen und ihre lauteren Schreie wusste ich Bescheid über die Intervalle und flehte den Schneepflug lautlos an, schneller zu fahren.
    Menschen, die leiden, verfluchen häufig ihre Schmerzen. Aus irgendeinem Grund scheinen wir zu glauben, akute Qualen könnten durch die Injektion von Obszönitäten unter Kontrolle gebracht werden. Lorrie ließ an diesem Abend keinen einzigen derartigen Ausdruck über ihre Lippen kommen.

    Ich kann bezeugen, dass sie unter normalen Umständen durchaus fähig ist, eine kleine Wunde oder einen blauen Fleck mit einem Wortschwall zu behandeln, der beißender ist als Jod. In einer Geburtsnacht herrschen aber keine normalen Umstände.
    Sie sagte, sie würde die Schmerzen nicht verfluchen, weil das Baby bei seiner Ankunft sonst meinen könnte, es sei auf dieser Welt nicht willkommen.
    Mir war zwar nicht in den Sinn gekommen, dass unser Kind bereits mit fortgeschrittenen Sprachkenntnissen geboren werden könnte, aber ich ließ ihre Sorge als berechtigt gelten – und liebte sie dafür.
    Als Stöhnen, Ächzen und wortlose Schreie ihr Bedürfnis, die Wirkung ihrer Wehen zum Ausdruck zu bringen, nicht mehr ausreichend befriedigten, nahm sie um des Babys willen Zuflucht zu Worten, die die Fülle und Schönheit der Welt ausdrückten.
    »Sahnebonbons, Sonnenblumen, Süßspeisen«, sagte sie. Dabei ließ sie das »S« so scharf herauszischen, dass man hätte meinen können, sie wünschte einem verhassten Feind Pest, Cholera und die ewige Verdammnis.
    Während die Stadtgrenze und dann das Krankenhaus in Sicht kamen, platzte die Fruchtblase zwar noch nicht, aber Lorrie sah aus, als käme ihr das ganze Wasser aus den Poren. Die Wehen waren mindestens so schweißtreibend wie Holzhacken. Als sie ihren Parka erst öffnete und dann auszog, sah ich, dass sie nass bis auf die Haut war.
    Ich hielt vor der Notaufnahme, rannte hinein und kam nach kurzer Zeit mit einem Krankenpfleger und einem Rollstuhl wieder heraus.
    Der Pfleger, ein sommersprossiger junger Mann mit Namen Cory, dachte wohl, Lorrie sei ins Delirium verfallen, als sie beim
Umsteigen vom Wagen in den Rollstuhl in rascher Folge zischte: »Geranien, Coca-Cola, Kätzchen, Schwäne, Geburtstagskuchen und Weihnachtsplätzchen! « Jedenfalls machte ihm ihre Inbrunst sichtlich Angst.
    Auf dem Weg hinein erklärte ich ihm Lorries Strategie, das Baby mit der Beschreibung schöner und leckerer Dinge statt mit Flüchen zu empfangen, aber das führte scheinbar nur dazu, dass er nun auch noch vor mir ein wenig Angst hatte.
    Ich konnte Lorrie nicht gleich zur Entbindungsabteilung begleiten, weil ich zuerst zur Aufnahme musste, um unsere Versichertenkarte vorzuweisen. Als ich Lorrie mit einem Kuss verabschiedete, drückte sie mir so fest die Hand, dass meine Knöchel knackten, und sagte: »Vielleicht werden es doch nicht zwanzig.«
    Eine Krankenschwester gesellte sich zu dem Pfleger, und gemeinsam schoben sie Lorrie auf den Aufzug zu.
    Während sie in der Kabine verschwanden, hörte ich, wie Lorrie »Crêpes Suzette, Clafouti, Gâteau à l’Orange, Soufflé au Chocolat! « hervorstieß.
    Wenn unser Baby bei der Geburt schon sprechen konnte, dann konnte es vielleicht auch Französisch und freute sich auf eine Laufbahn als Konditor.
    Während die Dame an der Aufnahme unsere Versichertenkarte

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