Traumfabrik Harvard
Hochschuleinrichtungen.
2004 kam es zu einer neuerlichen Wende bei den
state appropriations
. Nachdem sie im Haushaltsjahr 2003/04 noch einmal um nominell 2,1 Prozent auf den niedrigsten inflationsbereinigten Wert
pro Vollzeit-Student seit 30 Jahren gefallen waren, ziehen sie seither wieder deutlich an. 2007/08 sind sie mit 7,5 Prozent
gegenüber dem Vorjahr so stark gewachsen wie seit 1985 nicht mehr und summierten sich auf stattliche 77,5 Milliarden Dollar
(
Chronicle,
11.1.2008). Unter den Staaten mit den größten Sprüngen sind interessanterweise viele aus dem armen Süden. Louisiana |192| und Mississippi erhöhten die Ausgaben für ihre Hochschulen um jeweils mehr als 15 Prozent. Noch ist es zu früh um zu entscheiden,
ob man hier schon von einem neuen Trend sprechen kann. An einer anderen folgenreichen Entwicklung ändert das alles freilich
gar nichts. Parallel zu den finanziellen Rückschnitten kam es in den 1980er Jahren nämlich zu einem klaren Paradigmenwechsel
in der staatlichen Hochschulpolitik und
governance
staatlicher Hochschulen – weg von einer Führung »an der langen Leine« und aufgabenbezogener Finanzierung hin zu einer Orientierung
an Ergebnissen, verbunden mit der Forderung nach einer besseren Rechenschaftslegung (
accountability
) und mehr Kosten- und Leistungstransparenz. 1979 übten sich die Einzelstaaten erstmals in einer leistungsbezogenen Mittelzuweisung,
und 2003 praktizierten 15 von ihnen ein sehr striktes und 21 ein eher lockeres »performance based budgeting« (McGuinness 2005:
204). Die Begeisterung darüber, endlich ein Mittel gefunden zu haben, um die Kostenexplosion in der Hochschulausbildung zu
kontrollieren, ist allerdings schon wieder verflogen. Mehr und mehr Staaten sind wieder davon abgerückt, ihre Zuwendungen
an die einzelnen Hochschulen nach Leistungsindikatoren zu bemessen. An Kostenkontrolle durch eine »aktive Preispolitik« glaubt
kaum noch jemand. Wenn die meisten Staaten ihren Hochschulen dennoch ein »performance reporting« abverlangen, dann wollen
sie damit wenigstens den Anschein einer rationalen Steuerung wahren.
Der politische Druck auf die Hochschulen, ihre Leistungen und Qualität unter Beweis zu stellen, hält allerdings unvermindert
an. Trotz vieler ungelöster »technischer« Probleme und trotz der sehr begrenzten Reichweite der staatlichen Hochschulfinanzierung
sind Kosten und Qualität – und damit implizit natürlich Leistungsversagen und Verbesserungspotenziale – seit Mitte der 1990er
Jahren zum neuen hochschulpolitischen Schlüsselthema geworden, das sogar den Dauerbrenner
access and equity
in den Schatten drängte. Staatliche Stellen, Verbände und Interessenvertretungen präsentieren immer neue Ideen und Papiere,
um die Arbeit und Leistungen der Hochschulen zu verbessern und den Hochschulmarkt transparenter zu machen. Mehr Studienplätze
zu schaffen oder einen größeren Anteil einer Altersgruppe zu einem Collegeabschluss zu verhelfen spielt dabei kaum eine Rolle.
Stattdessen geht es um Preise und was man tun kann, um sie zu kontrollieren und die Hochschulen zu Transparenz und Kosteneinsparungen
zu zwingen. Dass die Studiengebühren zwischen 1982 und 2007 um 375 Prozent gestiegen sind, während sich die allgemeinen Lebenshaltungskosten |193| lediglich verdoppelt haben, hat die Hochschulen klar in die Schusslinie gebracht. Regelmäßig warten Medien mit wohlfeilen
Einsparungsvorschlägen auf: Heraufsetzung von Lehrdeputaten, Gehaltskappungen und Rückschnitte bei den ausufernden Aufwendungen
für das Hochschulmarketing. Ein Ende des Geplänkels ist nicht in Sicht, eines der davongaloppierenden Preise ebenso wenig.
Den bisher letzten Großversuch, aus dieser verfahrenen Situation einen Durchbruch zu erzielen, startete die Bundesregierung
im Herbst 2005 mit der Einsetzung einer »Commission on the Future of Higher Education« mit hochkarätigen Vertretern aus Wirtschaft,
Politik, Hochschulen und Verbänden. Als sie ein Jahr darauf ihren mit Spannung erwarteten Bericht präsentierte, war von der
Hoffnung, im Hochschulbereich einen ähnlichen Befreiungsschlag landen zu können wie in der Sekundarschulbildung mit dem »No
Child Left Behind Act« von 2001, nur noch wenig übrig geblieben. Obwohl sie ihre Arbeit mit großem Elan und in der festen
Absicht aufgenommen hatte, den Markt für die
higher education
durch Berichtspflichten und eine straffere Aufsicht effektiver zu gestalten und die
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