Traumfabrik Harvard
Zahl der von ihr geförderten Projekte (2007 waren es ingesamt 35.959, davon 9.622 neu angelaufene) haben sie zu
einer Bastion der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung werden lassen und sichern ihr auch weiterhin eine herausragende
Bedeutung für die Grundlagenforschung an den Universitäten. Das Übergewicht |197| der Gesundheitsforschung und biomedizischer Fächer im
federal research
funding
und die Liebäugelei mit der Programmforschung haben die Zuwendungen für die übrigen Zweige und Gebiete der Forschung zwar
stagnieren oder gar sinken lassen. Trotzdem summierten sich die Gesamtausgaben für »Science and Technology« im Haushaltsjahr
2007 auf immerhin fast 80 Milliarden Dollar. Mit der Abwicklung dieser hübschen Summe Geldes ist mehr als ein Dutzend unterschiedlicher
Fördereinrichtungen und Ministerien beschäftigt, aus deren Töpfen 2007 allein die Physik unterm Strich sage und schreibe 10,6
Milliarden Dollar erhielt (
Chronicle,
17.2.2006, 16.3.2007).
Dass die Bundesmittel für die Forschung demnächst schwächer sprudeln könnten, ist ähnlich unwahrscheinlich wie dass die tendenziell
grundlagenorientierte Hochschulforschung gegenüber anwendungsbezogenen Themenfeldern ins Hintertreffen geraten könnte. Im
Gegenteil sind Universitäten dank ihrer Fächer- und Methodenvielfalt geradezu dafür prädestiniert, an den Rändern von Disziplinen
und zwischen diesen zu forschen – dort also, wo nach übereinstimmender Ansicht aller Beobachter und Förderer heute und in
naher Zukunft die interessantesten Entwicklungen passieren (Geiger 2004: 134 ff.). Angesichts wachsender internationaler Konkurrenz
in den Natur- und Technikwissenschaften (vor allem aus China und Indien) und abnehmender Vorsprünge der USA ist Forschung
für die Politik inzwischen wieder zu einem heißen Thema geworden, und ihre staatliche Förderung erscheint so dringlich wie
selten zuvor.
197
204
197
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Patentgeschäfte, Academic Capitalism und der lange Arm der Wirtschaft
Mitte der 1980er Jahre setzte in der amerikanischen Hochschulwelt, parallel zu den Rückschnitten in der staatlichen Grundfinanzierung
und steigenden Studienkosten, eine Entwicklung ein, die eine neue Einkommensquelle ins Rampenlicht rückte: die Kommerzialisierung
von Forschungsergebnissen und die Verwertung von Wissen in Form geistiger Eigentumsrechte (
intellectual property rights
) durch Patente und durch eigene erwerbswirtschaftliche Aktivitäten der Hochschulen. Dazu gehören Firmenausgründungen, der
freie Verkauf oder die Lizensierung ganzer Studienprogramme oder einzelner Kurse, einträgliche Modelle beruflicher Weiterbildung |198| durch die
professional schools
oder, als jüngstes Phänomen, die internationale Vermarktung des Hochschulnamens durch Dependancen im Ausland. Kam dies alles
anfangs erst langsam in Gang, nährte der
dotcom boom
bald große Hoffnungen auf phantastische Geschäfte und ungeahnte finanzielle Schätze. Das galt natürlich in erster Linie für
brand
name-Einrichtungen und Forschungsuniversitäten, die die kommerziellen Potenziale ihrer natur- und ingenieurwissenschaftlichen
Forschungen systematisch zu erkunden und zu pflegen begannen. Regionale Hochschulen,
liberal arts
und
community colleges
taten sich viel schwerer damit, etwas Verkaufsfähiges in ihrem Portfolio zu finden und auf den Markt zu werfen. Mit Bildung
ist zwar auch ein Geschäft zu machen, aber das lag und liegt fest in den Händen kommerzieller Anbieter, gegen die traditionelle
Hochschulen bei Lichte besehen keine echte Chance hatten. Die viel beschworene Privatisierung der Hochschulen durch eine Kommerzialisierung
ihrer Kernaufgaben in Forschung, Lehre und Dienstleistungen vollzog sich unter großem Aplomb, jedoch relativ langsam und sehr
selektiv, weil nur ein kleiner Teil der amerikanischen Hochschulen davon betroffen ist und aktiv daran mittut.
Die politische Signalwirkung dieser Entwicklung war und ist ungleich größer, als es die materiellen Dimensionen vermuten lassen.
Seit die Hochschulforscher Sheila Slaughter und Larry Leslie 1997 ein Buch darüber mit dem Titel »Academic Capitalism« schmückten,
ist dies ein geflügelter Begriff geworden, in dem sich das Unbehagen gegenüber einem möglichen Ausverkauf der Universität
an wirtschaftliche Interessen schlaglichtartig bündelt. Obwohl die Kommerzialisierung von Forschung und Lehre bislang noch
immer ein Randphänomen der Hochschulaktivitäten
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