Traumfabrik Harvard
diese langsam, aber
deutlich ab. Machten
industrial
contracts
1999 noch annähernd zehn Prozent aller Ausgaben der Hochschulen für Forschung und Entwicklung aus, ist ihr Anteil seither
drastisch gefallen. Nach Angaben der NSF belief er sich im Haushaltsjahr 2005/06 auf nur noch fünf Prozent, obwohl die Industrie
ihre Aufwendungen im Vergleich zum Vorjahr um 7,7 Prozent auf die Rekordsumme von 2,3 Milliarden Dollar hochfuhr (
Chronicle,
9.2.2007, A 24). Weil aber das Gesamtvolumen an Forschungsmitteln seit 2000 um mehr als die Hälfte gewachsen ist, konnte selbst
diese Finanzspritze nichts am relativen Bedeutungsverlust industriefinanzierter Forschung ändern.
Nach wie vor kommt das Geld für die Hochschulforschung in den USA zu mehr als zwei Dritteln von den diversen
federal agencies
. Dieser |204| geballten Macht von fast 30 Milliarden Dollar hat die Wirtschaft nichts entgegenzusetzen. In den meisten Forschungsuniversitäten
spielen industrielle Fördergelder kaum eine Geige, und für eine direkte Einflussnahme der Wirtschaft auf das Programm und
die Arbeit der Hochschulen sind die Beträge, um die es geht, einfach viel zu klein. Angesichts der Relationen kann man sich
auch nicht vorstellen, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern könnte. Dass die Wirtschaft in der amerikanischen Hochschulwelt
den Ton angibt, ist eine reine Chimäre.
204
212
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false
Hochschulvermögen, Fundraising und private Spenden
Nicht nur in der Vermögensentwicklung brachten die Jahre nach 1995 eine neue Blütezeit für die amerikanischen Hochschulen.
Auch im
fundraising
brechen sie seither alle Rekorde. Um die hohen Kosten des Prestige- und Reputationswettkampfs decken zu können, suchen sie
ihr Heil zunehmend in der üppigen Unterstützung durch institutionelle Sponsoren und Einzelpersonen. In ausgefeilten Kampagnen
wetteifern sie mit ehrgeizigen Plänen um deren Gunst und Beutel. Besonders begehrt sind auflagenfreie Zustiftungen zum institutionellen
Vermögen, weil die Erträge daraus, kluge Anlagestrategien und eine günstige Wirtschaftsentwicklung vorausgesetzt, Einnahmen
bescheren, mit denen die Hochschulen langfristig rechnen und schalten und walten können, wie es ihnen gerade beliebt. Im Geschäftsjahr
2007 traf das allerdings auf nur ungefähr zwei Prozent des gesamten Spendenaufkommens zu. Zwar gingen weitere 27 Prozent der
Spenden in das
endowment
, allerdings mit »strings and ties« hinsichtlich der Verwendung künftiger Erträge. 14,7 Prozent der Spenden flossen in Bauten,
Labore oder Geräte, mehr als die Hälfte (53,6 Prozent) direkt in den laufenden Haushalt der Hochschulen, wurden also gleich
wieder ausgegeben und nicht in der Kriegskasse gehortet. Bei immerhin 8,4 Prozent handelte es sich um auflagenfreie Zuschüsse,
über deren Verwendung die Hochschule selbst befinden konnte, aber 45,2 Prozent waren zweckgebunden (
Chronicle,
29.2.2008, A 16). Der Löwenanteil aller Spenden – 72,4 Prozent der Zuwendungen zum laufenden Haushalt und zum Vermögen, plus
die meisten Investitionen von insgesamt 14,7 Prozent – kam demnach mit Restriktionen einher, über die sich die Empfänger nicht
hinwegsetzen konnten.
|205| Der Appetit der Hochschulen auf Spenden und fette
endowments
ist im neuen »gilded age« des amerikanischen Turbo-Kapitalismus ständig gewachsen. Hatten sich Ende 2004 insgesamt 23 Universitäten
und Colleges das Ziel gesetzt, innerhalb einer bestimmten Frist jeweils mindestens eine Milliarde Dollar neuer Spenden einzuwerben,
versuchten sich Anfang 2008 bereits 28 daran. Die meisten von ihnen peilten noch höhere Zielmarken an als in den Runden von
2004. Der
Chronicle
berichtet vierteljährlich über den aktuellen Kassenstand der einzelnen Kampagnen. Erfolge laden zur Nachahmung ein. So tritt
fast jede Woche eine neue Hochschule mit hochfliegenden Plänen auf die Bühne. Eine Faustregel besagt, dass sie erst dann eine
konkrete Summe als Ziel propagieren sollte, wenn sie mindestens die Hälfte davon bereits sicher im Töpfchen hat. Welche Einrichtung
als nächste auf den Zug spingen wird, ist daher ein offenes Geheimnis. Doch diese spektakulären Beutezüge sind nur die weithin
sichtbare Bugwelle einer viel breiteren Bewegung. Dahinter und darunter tummeln sich Hunderte anderer Hochschulen, kleine
und große, öffentliche und private, die auch gern einen Happen vom süßen Kuchen abbekommen wollen. Aber
fundraising
ist trickreich, riskant
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