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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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aber auf den Geschmack gekommen und verkaufen seither ihre Produkte im
     großen Stil für teures Geld in der Golfregion, sei es in Form von »software«, sprich Kurspaketen und ganzen Curricula, sei
     es in Form schicker neuer Satelliten-Einrichtungen.
    Als ausgesprochen rührig erweisen sich amerikanische Forschungsuniversitäten, besonders die mit einem technischen Schwerpunkt,
     auch bei der Unterstützung von Firmen-Ausgründungen ihrer Dozenten und Absolventen. Viele halten daran finanzielle Beteiligungungen,
     oft allerdings mit nur durchwachsenem Erfolg, weil es in der favorisierten Biotech-Branche nach 2000 zu besonders vielen Pleiten
     kam. 2002 meldeten die knapp 200 Mitgliedshochschulen der AUTM 364 »start-ups« aus ihren Reihen, 2004 waren es 425 und 2006
     schon 486. Wie bei den Patenteinnahmen weist die Tendenz auch hier klar nach oben. Mit gleich zwölf neuen Firmengründungen
     schoss die Carnegie Mellon University aus Pittsburgh 2006 den Vogel ab. Über die finanziellen Dimensionen und Erträge dieser
     Beteiligungen ist nichts bekannt. Vermutlich haben wir es aber mit einer analogen Situation zu tun wie bei Patenten und Lizenzen:
     Eine Handvoll sehr erfolgreicher Unternehmungen treibt die Bilanz nach oben. Sie entfalten eine solche Strahlkraft, dass immer
     mehr Hochschulen versuchen, einen ähnlichen Coup zu landen – und dabei oft leer ausgehen oder allzu leichtsinnig werden.
    Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass hinsichtlich der Verwertung wissenschaftlichen Wissens derzeit noch eine tiefe Kluft
     zwischen Hoffnungen und Verheißungen einerseits und tatsächlichen Gewinnen andererseits besteht. Zwar entsprachen die Patenteinnahmen
     der AUTM-Mitgliedshochschulen 2000 3,23 Prozent von deren Forschungsausgaben. Doch was auf den ersten Blick als eine recht
     anständige Rendite erscheint, entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als Papiertiger. Denn erstens fallen Patenterträge nicht
     in voller Höhe der Hochschule zu, sondern den einzelnen Forschern steht auch ein Anteil daran zu. Zweitens täuscht die Durchschnittsverzinsung
     darüber hinweg, dass dahinter nur einige wenige ertragsstarke Patente stehen und die Wirklichkeit viel grauer ist, als es
     diese Zahl nahelegt. Drittens darf man nicht vergessen, dass Patenteinnahmen hohe Vorlaufkosten vorausgehen – für die wissenschaftliche
     Infrastruktur, die sich längst nicht mehr aus
federal grants
und
overheads
finanzieren lässt, sondern eine massive Eigenbeteiligung der Hochschulen erfordert, und selbstredend auch für die Patentanmeldung
     im engeren Sinne, die zeitraubend |203| und sehr teuer ist. Wenn man den Aufwand für die Überprüfung, das »data mining« von Forschungsarbeiten auf patentierbare Ergebnisse,
     ihre Aufbereitung für einen aussichtsreichen Patentantrag, die Kosten für Recherchen, Anwälte und Gebühren den Einnahmen aus
     der Patentverwertung gegenüber stellt, betrug das Nettoeinkommen der meisten Hochschulen, die in diesem Geschäft aktiv mitmischten,
     im Jahre 2000 jeweils nur etwas mehr als eine Million Dollar (Ehrenberg u.a. 2007). Der
academic
capitalism
hat bis jetzt also noch nicht geliefert, was er versprach und was kritische Beobachter befürchten. Statt unerschöpflicher
     Ströme neuer Ressourcen hat er lediglich ein paar mickrige Tröpfchen auf den heißen Stein gebracht, um die es dann oft auch
     noch heftigen politischen Streit gab. Vermutlich ist das auch ein Motiv dafür, warum sich amerikanische Hochschulen in den
     letzen zehn Jahren mit viel größerer Verve dem privaten
fundraising
und Sponsoring zugewandt haben.
    Für die Finanzierung der Hochschulen durch die Industrie gilt im Grunde genommen dasselbe. »Academic capitalism« und »corporatization«
     der Hochschulwelt sind zwei Paar Schuhe. Für erstere gibt es immerhin einige Anzeichen. Von letzterer kann dagegen keine Rede
     sein. Während die Bundesmittel für die Forschung an den Hochschulen seit den 1990er Jahren kontinuierlich stiegen und in jüngster
     Zeit auch die Hochschulen selber immer mehr von ihrem eigenen Geld in die Forschung investieren, wuchsen die Zuwendungen aus
     der Industrie deutlich langsamer und blieben insgesamt recht bescheiden. In den vier Jahren nach 2000 nahmen sie sogar ab.
     Lizenzeinnahmen der Hochschulen und die Forschungsfinanzierung durch die Wirtschaft verhalten sich seit einigen Jahren reziprok
     zueinander – während jene langsam, aber stetig und in jüngster Zeit wieder beschleunigt stiegen, nahmen

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