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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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nahezu vollständig überein, müsse es auch und vor allem um die Vermittlung und Einübung von Haltungen, Eigenschaften und Fähigkeiten
     von hohem gesellschaftlichen Nährwert zu tun sein: »Higher education’s goals transcend solely economic purposes. Of course
     we want students who live lives of economic productivity. But we also want to imbue students with a deep sense of engagement,
     commitment, and efficacy as citizens in a democracy. We want them to have a strong sense of social responsibility, personal
     meaning, and a continuing capacity for adaptation and new learning.« (Shulman 2006: B10)
    Dieses Zitat ist nur eins von Dutzenden, ja Hunderten ähnlicher Verlautbarungen. Nicht erst seit John Deweys »progressive
     education« am Ende des 19. Jahrhunderts den erfahrungsgeleiteten Wissenserwerb, Verstehen und Verständigung sowie soziale
     Verantwortungsbereitschaft in einem demokratischen Gemeinwesen zum wichtigsten Ziel jeder Erziehungsbemühung erklärte, zieht
     sich ein Grundtenor durch den amerikanischen Bildungsdiskurs: Persönlich-moralische Entwicklung ist genauso wichtig wie Wissensvermittlung
     und das Training kognitiver Fähigkeiten, wenn nicht wichtiger. 13 Es wäre vorschnell und töricht, das als bloße Rhetorik abzutun. Vielmehr besetzt
education
(in der ganzen Bedeutungsbreite von Bildung, Selbstvervollkommnung, Ausbildung, Kompetenzerwerb) sowohl im Gesellschaftsentwurf
     als auch in der Kollektivbiographie von US-Amerikanern einen prominenten Platz. Sie gilt als Wunderwaffe, um die kniffligen
     Probleme des Staats- und Gesellschaftslebens zu lösen, soziale Positionen und ökonomische Vorteile gerechter zu verteilen,
     Mobilität zu fördern, bürgerschaftliche Verständigung anzuregen und demokratische Teilhabe zu befördern. Aus diesem Blickwinkel
     entspringt der
exceptionalism
|40| der amerikanischen Hochschulwelt einer politischen Kultur, die von
civic responsibilities
und der Bildungswilligkeit, aber auch Bildungsfähigkeit jedes einzelnen Menschen eine bessere Daseinsvorsorge erwartet, als
     sie der Staat jemals zu leisten imstande wäre. Im politischen Bewusstseinshorizont der USA ist
education
so tief eingegraben wie in Deutschland der »Daseinsfürsorgestaat« (Ernst Forsthoff) und die rechtsstaatliche Ordnung.
Education
und speziell
higher education
gilt als Hauptquelle sozialen Fortschritts und, bildlich ausgedrückt, entscheidende Stellschraube im erfolgreichen Zusammenspiel
     zwischen einer »Verwissenschaftlichung der Lebenswelt«, Demokratisierung der politischen Kultur und Ausweitung sozialer Teilhaberechte
     (Schofer/Meyer 2005).
    Wenn es für jedes Land, jede Gesellschaft eine bestimmte Überzeugung oder Tonlage gibt, die sie in besonderer Weise charakterisiert,
     dann ist das für die USA bekanntlich der Glaube, hier könne es jeder zu etwas bringen, der nur wolle und hart genug dafür
     arbeite. Seit den frühesten Tagen der Republik besitzt Bildung eine wichtige Scharnierfunktion in diesem Panorama. Immerhin
     erlaubt sie es, scheinbar widersprüchliche Interessen und Orientierungen harmonisch zu verbinden, nämlich einen radikalen
     Individualismus bürgerlicher Strebsamkeit mit dem Wunsch nach einem Gemeinwesen, das sich auf Teilhabe (
equity)
und Verdienst (
merit
) statt auf althergebrachten Privilegien des Standes oder unverdienten sozialen Vorteilen gründet. Der
American dream
verspricht jedem Bürger die Chance, etwas aus sich zu machen – das und nicht mehr ist ihm die Gesellschaft schuldig. Wo aber
     jeder selber seines Glückes Schmied sein soll, werden harte Arbeit und
education
als sich wechselseitig verstärkende Zwillingstugenden gewissermaßen zur Bürgerpflicht. Letztere erscheint als Königsweg, um
     das Versprechen von »freedom and happiness« für jeden Einzelnen im Zusammenspiel von »opportunity and achievement« zum Wohle
     der ganzen Gesellschaft einlösen und individuelles Fortkommen mit verantwortungsbereiter
citizenship
verbinden zu können
.
    Der feste Glaube an eine transformative Kraft von
education
reicht weit zurück. Bereits 1782, noch vor der Französischen Revolution, erklärte Thomas Jefferson, später dritter Präsident
     des jungen Landes, sie sei eine Grundvoraussetzung für dessen ersehnte »republikanische Selbstbestimmung«. 1818 hämmerte er
     die programmatische Verpflichtung des Gemeinwesens und seiner Bürger in ein ebenso schlichtes wie pathetisches Vermächtnis:
     »If the condition of man is to be progressively

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