Traumfabrik Harvard
für das Wettbewerbsszenario in der amerikanischen Hochschullandschaft
bedeutet. Einige staatliche Hochschulen haben anfangs große Mühen darauf verwandt, den
newcomers
abrechnungstechnische Unregelmäßigkeiten nachzuweisen und sie bei Finanzämtern und den Akkreditierungsagenturen anzuschwärzen
und so aus dem Markt zu drängen. Aber das gelang nur bei ein, zwei schwarzen Schafen. Im Moment sieht es ganz danach aus,
als habe sich der Spieß umgekehrt: Die neuen Mega-Hochschulen treiben die |126| alten Massenhochschulen vor sich her. Mit relativ hohen Studienerfolgsquoten, einer attraktiven Studienorganisation und strikter
Orientierung an brauchbaren Ergebnissen setzen sie ihnen hart zu. Sie scheren sich nicht um die Reputation ihrer Professoren,
um Medaillenspiegel oder um Erfolge in der Drittmitteleinwerbung. Ihnen geht es schlicht um
outcomes
, wie sie in neuen Jobs und in den Gehältern ihrer Absolventen ablesbar werden. Den Elite-Hochschulen kann das alles herzlich
egal sein. Aber für viele regionale Hochschulen und vor allem Community Colleges sind die Zeiten härter geworden. Wollen sie
nicht bald viele ihrer potenziellen Studenten an die neuen kommerziellen Anbieter verlieren, müssen sie sich viel einfallen
lassen.
Langfristig lässt sich momentan nur schwer abschätzen, welche nachhaltigen Folgen der Aufstieg kommerzieller Mega-Hochschulen
im amerikanischen Hochschulwesen haben wird. Nach Lage der Dinge spricht nicht viel für eine Schockwelle und tiefgreifende
Transformation. Wahrscheinlicher scheint dagegen eine Verstärkung des alten Musters – eine weitere institutionelle Auffächerung
der Szenerie mit kommerziellen Mega-Hochschulen als einem eigenen Segment, das an den Rändern mit anderen überlappt.
126
132
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Rankings und die Folgen
Was die
American higher education
während der letzten 25 Jahre mit Sicherheit
radikal
verändert hat sind die Rankings. Deren direkte und indirekte Wirkungen sind schwer exakt zu messen, aber dennoch überall spürbar
und augenfällig. Zwar haben sie keinesfalls mehr Ordnung in das mäandernde System gebracht, und ob sie wirklich geholfen haben,
es transparenter zu machen, wie sie es gern für sich reklamieren, darf man füglich bezweifeln. Aber da sich immer mehr Hochschulen
an ihren Kategorien und Wertungen orientieren, definieren sie inzwischen nicht nur die Spielregeln für deren Wettbewerb, sondern
bestimmen in einer Art Rückkopplungsschleife immer deutlicher auch die Agenda einzelner Institutionen – und das auf breiter
Front, weit über den kleinen, exklusiven Kreis der
selective
schools
hinaus. So hat USNWR-Ranking die Hochschulkonkurrenz auf eine Weise angeheizt, wie man sich das 1985 wohl nicht hätte vorstellen
können. Keine Hochschule kann es sich leisten, das einfach zu ignorieren. Im |127| Gegenteil: Es ist sicher kein Zufall, dass das erste Ranking in demselben Jahr auf den Markt kam, als der Hochschulforscher
George Keller ein Buch mit dem knackigen Titel
Academic strategy: the management revolution in
American higher education
veröffentlichte, das rasch Kultstatus erlangte und das vom Militär entlehnte Wort »Strategie« in der Hochschulwelt heimisch
werden ließ. Mit dieser Parallelaktion begann ein Spiel mit hohen Einsätzen, Chancen und Risiken. Zugleich schlug die Stunde
der
spin-doctors
, die versprechen, einzelnen Hochschulen mit geschickt inszenierten Kampagnen zu einem Neuanfang oder zu einem Aufstieg in
den Listenplätzen zu verhelfen. 51 Im Ergebnis ging ein Ruck durch das Gefüge der amerikanischen Hochschulszene: Der »avid quest« nach einem Platz möglichst
weit oben in der »prestige pyramid« oder wenigstens nach einem besseren Rankingplatz hält seither alle ihre Einrichtungen
in Atem und treibt pausenlos neue Blüten (Lovett 2005).
Trotz einiger Konkurrenzprodukte gibt es an der Vorherrschaft des USNWR-Rankings inzwischen nichts mehr zu rütteln. Der »gold
standard for measuring academic quality« mag bei den fachbezogenen Rankings der Doktorandenausbildung an den Forschungsuniversitäten
liegen, die der US National Research Council 1982 zum ersten Mal vorlegte (Geiger 2004: 149). Sie beruhen auf einer Metrik,
beinhalten aber anders als die College-Rankings auch eine
peer review
der einzelnen Programme. Durch seinen thematischen und institutionellen Fokus erfasst das NRC
graduate ranking
allerdings nur einen kleinen Bruchteil der amerikanischen Hochschulen
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