Traumfabrik Harvard
managen und laufend am Markt nachjustieren (Kinser 2007). Ihre
mission
heißt nicht
education
, sondern
higher education
gilt ihnen als eine Ware, die sie optimal gestalten und verpacken, um sie mit größtmöglichem Gewinn zu verkaufen. Für sie
sind Prestige, die schwierige Erblast so vieler anderer Hochschulen, und Reputation keine wichtigen Kenngrößen. Was zählt,
sind Kundenzufriedenheit,
revenue
und
cash-flow.
Und weil das Geschäft so sexy ist, kommt es immer häufiger zu
mergers and acquisitions
. Es wäre verlockend, diesen an Shakespeare-Dramen erinnernden Komplotte und Verstrickungen hier etwas weiter nachzugehen. 48 Aber hier müssen wir es leider dabei bewenden lassen, die Dimensionen der schönen neuen Hochschulwelt und ihr Geschäftsmodell
zu skizzieren.
Die Zahl börsennotierter Unternehmen, die
degree granting-
Hochschulen betreiben, liegt inzwischen bei 13. Den Anfang machte 1991 die 1931 gegründete DeVry University, die
degree programs
in Ingenieurwissenschaften und Informatik für heute knapp 60.000 Studenten anbietet. Keines der Unternehmen ist auch in anderen
Bereichen tätig. Aber alle sind
holdings
, die jeweils unterschiedliche Anbieter für unterschiedliche Märkte umfassen, oft unter verschiedenen Namen. In den Vereinigten
Staaten, Puerto Rico, Kanada und einer Reihe weiterer, vor allem südamerikanischer Länder |123| unterhalten sie nach den Angaben in ihren Geschäftsberichten zusammengenommen 102 Hochschuleinrichtungen mit 700
campus
und weiteren 900
service centers
, in denen sie insgesamt mehr als 870.000 Studenten versorgen. Größe und Ausrichtung der Unternehmen streuen enorm: Das kleinste
hat zwei Standorte und knapp 4.000 Studenten, das mit den meisten Filialen rühmt sich 133
campus
und 64.800 Studenten, und das von seinem Marktwert (2004 14,7 Milliarden Dollar) mit Abstand gewichtigste, die Apollo Group
mit der University of Phoenix als vielversprechendem
brand name
, rechnet sich selbst 255.000 zu. 49 Nur zwei der 13 Unternehmen bieten ausschließlich
degree
Kurse an. Bei vier weiteren machen diese mehr als 90 Prozent des Lehrangebots aus – allerdings einschließlich der Associate
Degrees
.
Bei den acht größten Unternehmen, deren Entwicklung der
Chronicle
verfolgt und dokumentiert, konnte man Anfang 2007 in den USA insgesamt 147 Bachelor- und 104 Master-Programme studieren und
sich in 24 Promotionsstudiengängen versuchen. 50
Wie kaum anders zu erwarten, besitzen die Studienangebote der »Wall Street fueled institutions« (Kinser 2006) eine klare berufsbezogene
Ausrichtung, allerdings mit einer charakteristischen Nuancierung, die sie von dem im
for-profit-
Feld ansonsten üblichen Muster absetzt. Führen in den
career colleges
ansonsten »personal and culinary services«, dicht gefolgt von »health professions«, die Hitliste beliebtester Studienfächer
an, stehen in den Mega-Hochschulen »computer and infomation sciences« an erster und »business/management« an zweiter Stelle.
Dabei pflegen die einzelnen Unternehmen jeweils unterschiedliche fachliche Schwerpunkte – eine Mehrzahl in »business« und/oder
Gesundheitsberufen, aber drei der 13 auch im Ingenieurwesen. Zwei bieten ein Studienprogramm in bildender Kunst beziehungsweise
Design, eine ist eine selbständige
law school
. Die Monokultur der
career education
wird durch fünf Angebote in
liberal studies
aufgebrochen; deren Studentenzahl ist allerdings so klein, dass sie in keiner statistischen Übersicht auftaucht. Die
new providers
konzentrieren sich folglich auf Informatik,
business
und das Gesundheitswesen – mithin auf Felder, die eine große Nachfrage versprechen, für die Lehre aber keinen sehr hohen apparativen
Aufwand erfordern.
Was ihre Angebote im Vergleich zum Studium an einer durchschnittlichen, erschwinglichen öffentlichen Hochschule besonders
attraktiv macht, zeigt das Beispiel des Marktführers, der University of Phoenix: eine starke Kundenorientierung. Die Hochschule
versteht sich als Dienstleister – und nimmt das sehr ernst. Eine eigene Agenda, zum Beispiel in der Forschung |124| oder zur Förderung bestimmter unterprivilegierter Gruppen, hat sie nicht. Curricula werden zentral entwickelt, sind hoch standardisiert,
enthalten aber viele interaktive Lehr- und Lernelemente. Didaktisch ansprechend gestaltet, gliedert sich das Studium in praktische
fünf- oder sechswöchige Kursblöcke. Der Lehrbetrieb läuft das ganze Jahr über – lange Zwangspausen und
Weitere Kostenlose Bücher