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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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sie es ohnehin schon waren.
     Und weil im Reputationsgerangel große |131| Namen viel zählen, kam es zweitens zu einer Jagd auf
top-notch faculty
aller Fachrichtungen. Dabei kommt der Wettlauf um gute Studenten und
faculty
die Hochschulen teuer zu stehen: Top-Studenten erwarten hervorragende Betreuungsverhältnisse und anspruchsvolle Veranstaltungen,
     gut ausgestattete Wohnheime, Hörsäle und Bibliotheken, Labore und Computernetzwerke. Starprofessoren verlangen Stargehälter
     und manches andere Extra. Mit dicken Berufungspaketen versuchen vor allem private Forschungsuniversitäten, ihren Konkurrenten
     die Aushängeschilder abzujagen. So wollte die Columbia University 2004 den Ökonomen Robert Barro von Harvard nach New York
     locken. Neben einem fürstlichen Gehalt, großem Apartment in Manhattan und opulenter Ausstattung für seinen Arbeitsbereich
     bot sie ihm an, fünf Kollegen seiner eigenen Wahl mitzubringen. Das war kein absoluter Ausnahmefall. Es gibt dutzende ähnlicher
     Geschichten, auch in Fächern wie Englischer Literatur, Geschichte und
postcolonial studies –
um nur einige zu nennen, an die man in Deutschland nicht sofort denken würde, wenn von Stargehältern die Rede ist.
    Eine dritte Begleiterscheinung des hochgepeitschten Hochschulwettbewerbs gilt inzwischen weithin als bedenklich und gefährlich,
     weil sie die Glaubwürdigkeit der Hochschulzeugnisse und ihre Signalfunktion auf dem Arbeitsmarkt zu beschädigen droht: Die
     statistisch klar nachweisbare Tendenz zur Noteninflation, gegen die kein Kraut gewachsen scheint. 54 Elite-Unis sind davon ganz besonders betroffen. Zwar haben einige in den letzten Jahren Kappungsgrenzen für die Bestnote
     (»A«) eingeführt und ihre Dozenten gedrängt, die gesamte Notenskala auszuschöpfen. Aber von einer Trendumkehr ist bisher noch
     nichts zu sehen.
    Ins Ranking zu investieren und alles andere, was damit zusammenhängt, lohnt sich für die Hochschulen. Ein Aufstieg lässt sie
     für gute Studienbewerber und interessante
faculty
attraktiver werden
,
während ein Abstieg rasch in einer Abwärtsspirale münden kann. Beides hat finanzielle Folgen – besser qualifizierte Studenten
     kommen häufig aus ökonomisch besser gestellten Elternhäusern und erwarten daher geringere Studienbeihilfen als andere. Wenn
     sie später mehr verdienen als die Absolventen anderer Hochschulen, hat ihre
alma mater
bessere Aussichten, großzügig bedacht zu werden. Ein besserer Rankingplatz bringt höheres Prestige, größere Aufmerksamkeit
     und letztlich mehr Geld in die Kasse: Das ist praktische Niveaupflege. Interessanterweise knöpfen nicht nur private Sponsoren
     ihre Taschen lieber für hoch angesehene Hochschulen auf als für
no names
. Auch Regierungen und Parlamente der einzelnen Staaten |132| freuen sich, wenn ihre Hochschulen im Ranking steigen – und honorieren das oft mit zusätzlichen Gaben.
    Die bizarre Karriere des Rankings wird von der amerikanischen Vorliebe für sportlichen Wettstreit und »Punkten«
(to score/scores)
noch weiter angespornt – einer Begeisterung, die schwer zu erklären, im Alltag aber umso tiefer verwurzelt ist. 55 So haben Hochschulpräsidenten und -organisationen immer wieder zum Boykott des USNWR-Ranking aufgerufen, zuletzt noch 2007.
     Aber die meisten Hochschulen drehen lieber eifrig am Räderwerk mit. Sie mögen es »pretty silly« finden, wie der Chancellor
     der University of Massachusetts at Amherst dem
Chronicle
achselzuckend gestand (25.5.2007, A 19). Doch in die rankingfreien goldenen Jahre führe nun einmal kein Weg zurück. Schließlich,
     kommentierte ein Präsident den Boykottaufruf seiner Kollegen, sollten und wollten die amerikanischen Hochschulen ihre Studenten
     ja fit machen für eine »competitive nation«. Da sei es doch nur recht und billig, dass auch sie sich dem Markt stellen: »We
     must be willing to be competitive ourselves and respond to our marketplace. Like the corporations that hire our students,
     we must be willing to be evaluated against others.« (Collins 2007)
    Markt und Wettbewerb prägen immer stärker das Geschehen in der amerikanischen Hochschulwelt und ihr äußeres Erscheinungsbild.
     Von einer regulierenden, ruhigen Hand des Staates ist nichts zu spüren. Ein mit großem Aplomb inszenierter Vorstoß der Bush-Administration,
     der Kostenexplosion im Hochschulwesen mit staatlich geforderter Leistungstransparenz und Standards für die Qualitätssicherung
     beizukommen, ist 2006 kläglich

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