Traumfabrik Harvard
Prozent die Spendenbereitschaft der Alumni
und Studienerfolgsquoten. Gegen alle diese Indikatoren sind viele gut begründete Vorbehalte erhoben worden – meistens mit
dem Tenor, dass sie eigentlich nur
inputs
, aber keine
outcomes
abbilden und deshalb falsche Signale senden (Ehrenberg 2002). Aber da sie nun einmal unverrückbar im Raum stehen, wird die
Versuchung zu kreativer Buchführung immer mächtiger. Ein paar Prozentpunkte hier oder da können am Ende einen großen Unterschied
bewirken. So üben sich denn immer mehr Hochschulen eifrig darin, mit allen möglichen Tricks und Ösen hübsche Potemkin’sche
Dörfer zu bauen.
Im Windhundrennen um bessere Platzierungen widmen sie dem Faktor »student selectivity« die größte Aufmerksamkeit, was angesichts
von dessen relativ geringem Gewicht verwundern mag. Doch erstens besitzt dieser Indikator einen außerordentlich hohen Signalwert,
und zweitens ist es für jede Hochschule relativ einfach, ihn zu beeinflussen. Das gilt für alle der vier Komponenten, aus
denen er sich zusammensetzt: Die Punktzahlen, die Studienanfänger in den standardisierten Zulassungstests SAT oder ACT erreicht
haben, die Zulassungs- und Schöpfungsquoten (»acceptance/admission rate« und »yield rate«) sowie schließlich den Anteil der
Anfänger, die unter den besten zehn Prozent des Absolventenjahrgangs ihrer Highschool waren. Die Logik ist einfach: Je mehr
Bewerber abgelehnt werden und je mehr von denen sich tatsächlich einschreiben, die zugelassen worden sind, desto besser. Inzwischen
versucht fast jede Hochschule, ihre Bewerberzahlen noch oben zu katapultieren, um ihre
acceptance
rate
zu drücken, und mit attraktiven Stipendien für smarte Studenten ihr Profil zu liften. In einem perfiden Zusammenspiel von
Anziehung und Abstoßung werden alle Register des Studenten-Marketing gezogen. Dazu |130| gehören aufwendig gestaltete Prospekte, die allen Highschool-seniors an guten Schulen zugehen
,
denen persönliche Ansprachen und Anrufe auf dem Fuße folgen, die sie zur Bewerbung ermuntern sollen, selbst wenn sie nicht
die geringste Zulassungschance an dieser Hochschule haben. Schüler mit den besten Testergebnissen (»merit scholars«) werden
zu einem gesponsorten Besuch der Hochschule eingeladen und bekommen dort eine eindruckvolle Show geboten. Schülern mit einem
interessanten Leistungsoder Sozialprofil – letzteres kann wichtig sein, wenn die Hochschule ihre
diversity
vergrößern will – werden die Bewerbungsgebühren (60 bis 150 Dollar) erlassen und weitere finanzielle Schmankerl in Aussicht
gestellt. Mit Kostennachlässen drängt man zugelassene Bewerber zur Annahme des Studienplatzes – und so weiter und so weiter.
Um in der Spalte
selectivity
besser dazustehen, ist den Hochschulen fast jedes Mittel recht: »What is the fastest and most effective way to climb to the
top? It is to generate large pools of applicants, most of whom will not be admitted.« (Lovett 2005)
Erfinderisch werden manche Hochschulen auch, wenn die Spendierbereitschaft ihrer Alumni zählt. Unverblümte Aufforderungen
zu Schein-Spenden sind keine Seltenheit mehr, aber das private Albion College in Michigan brachte es mit seinem Trick im März
2007 bis in die Spalten des
Wall Street Journal:
Um die langfristige »giving rate« zu frisieren, verbuchte es eine Einmalzahlung aus dem jüngsten Absolventenjahrgang gleich
fünfmal, nämlich auch für die zurückliegenden Jahre. Neben Zuckerbrot für besonders interessante Bewerber gibt es manchmal
auch die Peitsche für die
losers
unter den Studenten. So berichtete die
New York Times
am 13. Februar 2008 über das Los einer Studentin der State University of New York (SUNY), die von einem Tag zum anderen aus
ihrem Uni-Wohnheim flog, nachdem ihre Durchschnittsnote (»grade point average«, GPA) unter einen bestimmten Grenzwert abgesackt
war. In ihrem Kampf um bessere Studienerfolgsquoten hatte sich die Hochschule nämlich entschlossen, nur noch solche Studenten
mit einem Wohnheimplatz zu versorgen, die sich halbwegs anstellig zeigen und ihr Pensum schaffen würden.
Ranking-Manie und der erbitterte Kampf ums Promille bei den Listenplätzen zeitigten weitere indirekte Folgen, von denen mindestens
eine erfreulich ist: Im letzten Jahrzehnt erlebten die amerikanischen Hochschulen einen wahren Bau- und Investitionsboom,
dank dessen viele ihrer Gebäude und Anlagen noch schicker, gepflegter und ansprechender wurden, als
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