Traumfabrik Harvard
einer Hochschule gemeint,
Leistungen zu erbringen, die von ihr erwartet werden oder die sie selber zu liefern verspricht. Reputation spiegelt also das
Ergebnis zielgerichteter Arbeit, ein empirisch begründetes Urteil, das gut oder schlecht ausfallen kann. Dagegen kann das
»Prestige« einer Hochschule zwar hoch oder niedrig sein, aber niemals negativ; es reflektiert ein Image, eine Idealbild davon,
was eine gute Hochschule ausmacht.
Während immer klar ist, worauf sich eine Reputation gründet, gilt das nicht für Prestige. Ist Erstere ein »nicht-rivales«
Gut, das jemand besitzen kann, ohne deswegen jemanden anderen davon auszuschließen, beruht das Prestige einer Einrichtung
stets auf dem Vergleich mit anderen und impliziert ein Versprechen. Weil es sich um ein »rivales« Gut handelt, wird der Kampf
um Prestige letzten Endes immer zum Nullsummenspiel. Trotz seines hohen Signalwerts lässt sich Prestige auch nicht direkt
messen, sondern nur mittelbar über Platzhalter. Bis sich dieses
asset
aufgebaut hat, kann es lange dauern. Umgekehrt besitzt Prestige eine deutlich längere Halbwertszeit als Reputation. Letztere
kann eine Hochschule leicht und schnell verspielen, wenn sie nicht liefert, was von ihr erwartet wird. Bis eine Hochschule
ihr Prestige komplett ruiniert und verloren hat, muss sehr viel passieren.
Soweit die Trockenübung. Kommt die Strategie ins Spiel, wird es spannend. Folgt man dem Vorschlag von Brewer, müssen sich
Hochschulen nämlich entscheiden, auf welches dieser beiden Güter sie setzen und worauf sie ihre Prioritäten und Handlungen
ausrichten wollen. Geht es vordringlich um Reputation, müssen sie sich um konkrete Leistungsverbesserungen |135| bemühen, neue Studienangebote einführen, Studenten besser betreuen oder mehr Dozenten einstellen. Orientieren sie sich stattdessen
am Prestige, müssen sie in ihr Image investieren. Weil das in aller Regel weniger griffig und viel schwerer zu steuern ist
als jene Leistungsbereiche, die für die Reputation zu Buche schlagen, sind Prestigestrategien sehr viel komplexer, aufwendiger
und teurer. Nach Auffassung des RAND-Teams tragen die US-Hochschulen ihren Prestigekampf hauptsächlich auf drei Feldern aus:
Im Wettkampf um die besten Studienbewerber (Stichwort
selectivity
), um die meisten hochkarätigen Drittmittel für die Forschung und um das Abschneiden im Teamsport. In allen drei Bereichen
können nur solche Hochschulen mithalten, die einen langen Atem haben und sich erhebliche Vorleistungen leisten können. Folgt
man diesem Schema, lassen sich in der »Higher Education Industry« vier Klassen von Institutionen unterschieden: »Prestigious
Institutions« (P), die alles daran setzen, ihre Exzellenz zu erhalten und dabei im Großen und Ganzen »inward looking«, das
heißt nach ihren eigenen Präferenzen vorgehen, ohne sich vom Marktgeschehen beirren zu lassen; »Prestige-Seeking Institutions«
(PS), die darauf aus sind, sich vor den anderen hervorzutun und hohe Erwartungen an sich selbst haben; »Reputation Institutions«
(R), die sich darauf konzentrieren, konkrete Anforderungen und Erwartungen ihrer verschiedenen Zielgruppen zu befriedigen,
und schließlich »PS-R Hybrid Type Institutions« als eine Mischform, die ein bisschen von allem haben möchte.
Auch auf der Prestige-Reputation-Achse lassen sich verschiedene Populationen von Studenten abbilden: R-Hochschulen wollen
einen möglichst großen Marktanteil erzielen und bieten daher attraktive, breit gefächerte Studienangebote für diverse Gruppen
zu erschwinglichen Kosten an – sie sind der »Wal-Mart of higher education«, wie ein Hochschulmanager in der Studie zitiert
wird (Brewer u.a. 2002: 58). Sie sind für eine Klientel interessant, die ein Gebrauchsgut zum günstigen Preis sucht – in der
Zemsky’schen Taxonomie entspricht das den »User Friendly« und »Good Buy« Einrichtungen. 57 P-Hochschulen sind darauf aus, ihre Selektivität zu steigern – mit all den Tricks und Ösen, die wir weiter oben skizziert
haben. Sie ziehen Studenten an, die auch oder vor allem den »positionalen Wert« des Studiums an einer P-Institution zu schätzen
wissen. Werben R-Hochschulen mit gutem Praxisbezug und attraktiven beruflichen Karrieren, rühmen sich P-Institutionen ihrer
klugen, interessanten Studenten und exzellenten Professoren. Geben sich R-Hochschulen umtriebig und dynamisch, weil sie ihre
Offenheit und Leistungsfähigkeit
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