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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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Princeton, Williams und der University of Pennsylvania folgend stellte Harvard zudem in Aussicht,
     alle seine Studienbeihilfen künftig als Stipendien zu vergeben und auf Darlehen ganz zu verzichten. Wie kaum anders zu erwarten,
     sah sich auch Yale kurz darauf zu einem ähnlichen Schritt gezwungen: Mit anderen Kappungsgrenzen und Prozentsätzen läuft seine
     neue Gebührenpolitik darauf hinaus, die Belastungen für Familien mit Einkommen unter 120.000 Dollar ab dem Studienjahr 2008/09
     zu halbieren und für die mit Einkommen zwischen 120.000 und 200.000 Dollar um ein Drittel zu kürzen. 86 Damit reagieren die reichsten Hochschulen auf den politischen Druck, ihre Preise zu senken und die Colleges stärker an den
     Erträgen ihrer enormen Vermögen teilhaben zu lassen. Andere Einrichtungen |177| , private wie öffentliche, bringt das in eine missliche Lage. Denn weil kaum eine andere über ähnliche Ressourcen wie Harvard
     und Yale verfügt, haben diese beiden im College-Talentkrieg einen uneinholbaren materiellen Vorteil.
    Die Situation ist verzwickt. Vielen Kassandrarufen über den angeblichen Niedergang des
American college
– wegen prohibitiver Gebühren, nachlassendem »academic rigor« und wachsender Beliebigkeit – steht der ungebrochene Optimismus
     der
mission statements
gegenüber. Und trotz aller abschreckenden Aussichten auf hohe Schulden rütteln jedes Jahr mehr Bewerber an seinen Türen. Können
     die Gebühren noch weiter anziehen, ohne dass die Studiennachfrage einbricht? Momentan sieht es ganz danach aus. Ungewisse
     wirtschaftliche Aussichten, Furcht vor einer Rezession und zunehmender Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt verstärken den
     Andrang an die Colleges und insbesondere auf die Spitzeneinrichtungen noch weiter: »Risk hedging« wird zum wichtigsten Motiv,
     warum ambitionierte, leistungsstarke Schulabsolventen in nie gekannter Zahl an die
selective
schools
drängen.
    Dass die Preise fürs Studium sinken könnten, erwartet niemand. Völlig naiv wäre es, darauf zu hoffen, mehr Markttransparenz
     und Wettbewerb würden dafür sorgen, denn schließlich hat die eigentümliche Wettbewerbsdynamik im Hochschulbereich zum Preisauftrieb
     der letzten beiden Jahrzehnte kräftig beigetragen. Das »competitive cuddling« der
undergraduates
, elegante Gebäude und prächtige Anlagen, attraktive Studienprogramme und spektakuläre Campusaktivitäten, vor allem aber die
     Konkurrenz um Starprofessoren aller Disziplinen – all das frisst viel Geld. Die Spielregeln zu ignorieren und ihren eigenen
     Kurs zu fahren kann sich keine Hochschule erlauben. Die Ansprüche der Studienbewerber wachsen, und die öffentlichen Einrichtungen
     wollen es den privaten Konkurrenten gleichtun und sich besser auf dem Studenten- und Forschungsmarkt positionieren. Kostensenkungen
     müssten mit Qualitätseinbußen erkauft werden. Das will niemand riskieren. Discountpreise kommen jede Hochschule letztlich
     teuer zu stehen – egal, ob sie ihre Kosten und Gebühren aus eigener Tasche subventioniert wie Harvard oder ihre Angebotspalette
     und Qualitätsansprüche reduziert. Denn im zweiten Fall bleiben die guten Bewerber aus, womit sich die Hochschule selbst schaden
     würde. Lorraine Aronson, Vizepräsidentin für Finanzen der öffentlichen University of Connecticut, brachte diesen prekären
     Nexus zwischen Kosten und Qualität 2005 in einem Zeitungsinterview klar auf den Punkt: »Alle Leute wollen eine möglichst |178| hochwertige Ausbildung für ihre Kinder. Aber ein billigeres Produkt von geringerer Qualität wäre weiß Gott kein Schnäppchen,
     und das wissen sie auch.« (
New Haven Register
, 25.5.2005) Die Preisspirale wird sich deshalb so lange weiter nach oben drehen, wie keine radikale Änderung im institutionellen
     Arrangement erfolgt.
    Aus ökonomischer Perspektive ist der Run aufs College allemal »rational«. Schon ein kurzer Blick auf die Einkommensvorteile
     durch einen Hochschulabschluss genügt, um ihn für eine vernünftige Wahl zu halten. Der Verdienstabstand zwischen Hochschulabsolventen
     und denen, die lediglich ein HSD vorweisen können, ist seit den 1970er Jahren immer größer geworden: Waren die Einkommen ersterer
     damals im Schnitt 36 Prozent höher, hatten sie nach Berechnungen von Anthony Carnevale und Gbemisola Oseni 2005 76 Prozent
     mehr in der Lohntüte (Carnevale 2006). Der Durchschnittsverdienst von Männern ohne Highschool-Abschluss fiel inflationsbereinigt
     um 29,9 Prozent und der

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