Traumfabrik Harvard
200.000 Tausend Dollar Schulden plus Zins
und Zinseszins müssen erst einmal wieder hereinkommen – von eventuellen Rückzahlungen für die Collegeausbildung ganz zu schweigen.
Völlig anders verhält es sich dagegen mit der
graduate school.
Für »terminal Master«, die kein integraler Bestandteil eines Ph.D.-Programms sind, fallen meist relativ hohe Gebühren an,
denn sie vermitteln eine zusätzliche berufliche Qualifizierung. Doktorandenprogramme in den
arts and sciences
sind dagegen in aller Regel gebührenfrei. Spitzen-Unis zahlen Promovenden sogar ein auskömmliches Stipendium, von dem sie
ihren Lebensunterhalt bestreiten können, damit sie sich voll auf ihr »course-work« und daran anschließend ihre Forschungen
konzentrieren können. Im Gegenzug müssen sie allerdings eine Zeitlang als TA (
teaching assistent
) oder wissenschaftliche Hilfkraft arbeiten. Die Höhe der Stipendien variiert von Fach zu Fach und beträgt zwischen 15.000
und 25.000 Dollar pro Jahr. Manche Universitäten gewähren sie nur für zwei, andere für bis zu fünf Jahre. So kann sich der
»wissenschaftliche Nachwuchs« theoretisch frei von finanziellen Erwägungen auf eine spätere Tätigkeit als Wissenschaftler
und Hochschullehrer vorbereiten. Allerdings bezahlt er für dieses Privileg mit deutlich schlechteren Gehältern, als sie Absolventen
der
professional schools
erwarten dürfen, vom höheren Arbeitsmarktrisiko ganz zu schweigen.
Wie nun schultern die Studenten die enormen Kosten für das College, die nur in ganz wenigen Einzelfällen von der
financial aid
komplett gedeckt werden? Mindestens einen Teil müssen die Studenten aus eigener Tasche tragen – und das heißt, ein Darlehen
aufnehmen, falls sie leer ist. Das galt 2004/05 für 44 Prozent der
undergraduates
im öffentlichen Sektor und 60 Prozent an privaten Hochschulen; von denen, die eine kommerzielle Hochschule besuchten, borgten
sich sogar 74 Prozent Geld fürs Studium (NCES 2007). Ungefähr ein Drittel aller
undergraduates
verlässt das College mit Schulden. Andererseits sind mehr als ein Drittel der Studenten in den Elite-Colleges Selbst- und
Vollzahler, die weder einen Anspruch auf staatliche Hilfen geltend machen noch mit Fähigkeiten oder Kenntnissen aufwarten
können, die ihnen die Hochschule mit einem Preisnachlass vergüten würde. Gefährdet diese Entwicklung den amerikanischen Traum
von einer
college education
als magischem Ticket in eine bessere Zukunft? Viele Beobachter befürchten genau das. Seit den Tagen der
great society
ist viel |176| Wasser den Potomac River hinuntergeflossen. Im Verteilungskampf um staatliche Gelder rangiert die
higher education
inzwischen hinter Gesundheitsförderung und nationaler Sicherheit nur noch unter ferner liefen. Für viele Familien ist sie
deutlich weniger bezahlbar geworden. Ob das auch unerschwinglich bedeutet, steht indes auf einem anderen Blatt.
Die Krise der Collegefinanzierung hat zu einer Fülle unterschiedlicher Reaktionen geführt. Memoranden warnen vor düsteren
Folgen für die globale Wettbewerbsfähigkeit Amerikas 85 und für den öffentlichen Dienst. So legte eine »State Public Interest Research Group« im April 2006 in einer alarmierenden
Studie dar, dass es sich 23 Prozent der Absolventen öffentlicher und 38 Prozent derer von privaten Colleges unter den gegebenen
ökonomischen Belastungen nicht mehr leisten könnten, Lehrer oder Sozialarbeiter zu werden, weil die Gehälter für die Rückzahlung
ihrer »drückenden Schulden« aus den Collegejahren einfach nicht ausreichten (
Chronicle
,
6.4.2006). Gleichzeitig beschreitet Harvard radikale neue Wege in der finanziellen Unterstützung seiner
undergraduates.
2004 mussten Studienanfänger erstmals keinen einzigen Cent mehr bezahlen, sofern ihre Familie weniger als 40.000 Dollar Jahreseinkommen
hatten – eine Grenze, die inzwischen auf 60.000 Dollar angehoben worden ist.
Angesichts anhaltender und sogar wachsender Kritik an der Preispolitik der
ivy leagues
verkündete Harvard im Dezember 2007 im Glanze eines sensationell gewachsenen
endowments
einen weiteren großen Sprung nach vorn: Ab 2008 sollen Studenten aus soliden
middle class families
mit Jahreseinkommen zwischen 120.000 und 180.000 Tausend Dollar generell nur noch zehn Prozent davon fürs College bezahlen
müssen – eine massive Subvention der 45.600 Dollar, die derzeit für
tuition
plus
room and board
fällig sind (
New York Times,
11.12.2007). Dem Beispiel von
Weitere Kostenlose Bücher