Traumfaenger
ihnen glaubhaft versichert, dass mit mir alles in Ordnung war und dass es mir gut tun würde, mich durch das Lernen etwas von meinen Sorgen abzulenken. Das hatten sie verstanden.
Ich biss in meinen Toast, während mein Vater in seiner Zeitung blätterte und meine Mutter sich um die Wäsche kümmerte.
»So ein Idiot von den Republikanern hat wieder einmal vorgeschlagen, die Steuern zu erhöhen«, schnaubte er hinter seiner Zeitung.
»Wenn die so weitermachen, bleibt den Leuten nicht mal mehr das Nötigste zum Leben«, rief meine Mutter aus der Waschküche. Mein Vater brummte etwas Unverständliches, dann ließ er die Zeitung sinken und sah mich fragend an.
»Was meinst du dazu, Kylie?«
»Allesch Halschabschneider«, sagte ich mit vollem Mund und erntete ein zustimmendes Nicken. Mein Vater schenkte sich Kaffee nach und ich musterte ihn verstohlen. Mit seinen 44 Jahren sah er noch verdammt gut aus, wie ich immer wieder stolz feststellte, wenn ich ihn ansah. Einzig die leicht angegrauten Schläfen ließen darauf schließen, dass er keine dreißig mehr war.
Als meine Mutter mit einem prall gefüllten Wäschekorb in die Küche kam, wanderte mein Blick zu ihr. Von ihr hatte ich mein dunkles Haar geerbt und auch unsere Augen waren fast identisch. Nur meine Lippen waren etwas voller und meine Nase etwas zierlicher, was ich den Genen meines Vaters zu verdanken hatte. Sie drückte mir den Wäschekorb in die Arme.
»Ich habe alles gewaschen, was du in den Wäschekorb geworfen hast. Deine Kleider, die in deinem Zimmer lagen, habe ich gerade in die Waschmaschine gesteckt. Aber die brauchst du ja nicht so dringend, du hast ja jetzt wieder reichlich Auswahl«, informierte sie mich. Dabei deutete sie auf den vollen Waschkorb, den ich auf meinem Schoß balancierte, während ich mir ein weiteres Stück Toast in den Mund schob.
»Alles klar«, sagte ich lächelnd, dann erstarrte ich. »Hast du eben gesagt, du hast die Klamotten, die in meinem Zimmer lagen, in die Waschmaschine gesteckt?«, schrie ich und spuckte dabei den halben Toast auf den Tisch.
»Kylie!«, tadelte mich mein Vater kopfschüttelnd und wischte sich einige Brösel vom Hemd, doch ich hörte ihm gar nicht zu. Ich sprang auf und der Wäschekorb purzelte samt Inhalt auf den Küchenboden.
»Was hast du denn?«, rief meine Mutter entsetzt und begann sofort, die frisch gewaschene Wäsche wieder in den Korb zu schlichten. Ich antwortete nicht, sondern rannte schnurstracks in die Waschküche.
»Was hat sie denn?«, hörte ich meinen Vater noch fragen, als ich die Tür aufriss und mit einem beherzten Sprung zur Maschine hechtete, wo ich den "Stop" Knopf drückte.
»Bitte, bitte nicht, lieber Gott«, murmelte ich, während ich darauf wartete, dass der Ton erklang, der zu hören war, wenn die Sicherheitsverriegelung sich löste. Hoffentlich hatte sie nicht meine Jeans in die Maschine gepackt, in der Matts Notizen steckten. Kurz darauf erklang ein "Bing" und ich riss die Tür auf. Sofort fiel mein Blick auf ein dunkelblaues Hosenbein und ich stöhnte auf.
»Was ist denn los?«, erkundigte sich meine Mutter, die jetzt in der Tür stand und besorgt zu mir sah. Ich zog an dem Hosenbein, als ginge es um mein Leben.
»Hast du die Taschen ausgeleert, bevor du die Hose in die Maschine gesteckt hast?«, fragte ich hoffnungsvoll und ließ eine Hand in die Gesäßtasche gleiten. Noch bevor meine Mutter antwortete, wusste ich, dass sie es nicht getan hatte, denn das, was ich aus der Tasche gezogen hatte, war nur noch ein weicher Batzen aufgeweichten Papiers mit einigen verschwommenen Zeilen.
»Das darf doch alles nicht wahr sein«, schluchzte ich und versuchte verzweifelt, die Papierfetzen voneinander zu trennen. Doch selbst wenn ich es geschafft hätte, würde es nichts nützen, denn alles, was Matt aufgeschrieben hatte, war unleserlich geworden.
»Kind, was ist denn los?«, hörte ich meine Mutter fragen.
»Nicht so wichtig«, murmelte ich deprimiert und stapfte mit hängenden Schultern zurück in mein Zimmer. Was sollte ich denn jetzt nur machen?
Nach einer Stunde, etlichen vergossenen Tränen und zwei Packungen Taschentüchern hatte ich mich endlich wieder etwas beruhigt. Ich würde Mr. Wang auch ohne Matts Notizen finden, schließlich konnte ich mich zumindest an den Straßennamen erinnern, auch wenn ich keine Ahnung mehr hatte, wie die Hausnummer lautete. Aber Matt hatte erwähnt, dass es sich um einen Laden handelte. Es würden sicherlich nicht viele Geschäfte in
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