Traumfaenger
Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Matt ihm entkommen war. Doch er lief neben mir, unversehrt, was bedeutete, dass es ihm anscheinend doch gelungen war. Nur wie?
Matt sah mich an, ohne stehenzubleiben und lächelte gequält. Er schien zu überlegen, ob er mir erzählen sollte, was an diesem Tag passiert war.
»Damals war ich unvorsichtig. Ich habe beobachtet, wie diese Ungeheuer die Seele des Jungen gefressen haben, und war so schockiert, dass ich nicht darauf geachtet habe, was um mich herum geschah. Deshalb habe ich auch nicht bemerkt, dass mich ein weiterer Seelenfresser entdeckt hatte. Als ich ihn schließlich sah, war es zu spät«, schilderte er.
Ich lauschte angespannt seinen Worten.
»Aber du bist entkommen, oder? Sonst wärst du doch jetzt nicht hier«, erwiderte ich.
»Ja, ich habe es geschafft mich zu befreien und zu fliehen«, bestätigte er meine Vermutung.
»Aber wie?«, fragte ich neugierig. Jetzt blieb Matt stehen und drehte sich zu mir.
»Mit meinem letzten Streichholz«, antwortete er. Ich musste ihn ziemlich dumm angesehen haben, denn er lachte rauchig, als er mein verdutztes Gesicht sah.
»Mit einem Streichholz?«, fragte ich ungläubig.
»Ich habe dir doch erzählt, dass Seelenfresser Feuer hassen und es das Einzige ist, was sie töten kann.« Ich nickte, denn ich konnte mich daran erinnern, wie Matt mir mitgeteilt hatte, wie man einen Seelenfresser vernichten konnte. Doch er hatte es nur beiläufig erwähnt.
»Ja, hast du«, stimmte ich Matt zu.
»Diese Wesen hassen Feuer und vermeiden es um jeden Preis, Flammen zu nahe zu kommen. Und das aus einem guten Grund. Denn schon allein ein Funke, der von einem Lagerfeuer aus durch die Luft fliegt, kann sie töten. Sie müssen nicht lichterloh brennen, um zu sterben, es genügt der kurze Kontakt mit einer Flamme.«
»Deshalb ist es dir gelungen zu fliehen. Du hast ihn vernichtet, nicht wahr?«, mutmaßte ich und stellte mir bildlich vor, wie er das Ungeheuer mit der Streichholzflamme vernichtet hatte.
»Nein, vernichtet habe ich ihn leider nicht. Als ich das Streichholz entzündete, ließ er von mir ab verschwand, noch ehe ich reagieren konnte. Glaub mir, ich hätte nichts lieber getan, als diesen Bastard zu töten«
»Wie sterben sie?«, erkundigte ich mich neugierig. Ich hatte keine Ahnung, ob diese Wesen in Flammen aufgingen, zu Asche zerfielen oder einfach im Nichts verschwanden.
»Es ist wie eine kleine Explosion mit Millionen goldener Funken. Würde es sich nicht um so abscheuliche Ungeheuer handeln, könnte man fast behaupten, es ist ein faszinierendes Spektakel«, bemerkte er.
»Sie müssen also gar nicht brennen, sondern nur von der Flamme geküsst werden, wenn man so sagen will«, begriff ich.
»Eine ganz kurze Berührung mit Feuer genügt, um sie ins Jenseits zu befördern«, stimmte Matt mir zu.
»Gut zu wissen«, murmelte ich. Wenigstens ein Lichtblick, was diese Kreaturen betraf. »Was ist mit den Traumgebilden, wie Needle? Wie kann man sie töten?« Matt sah mich mit gerunzelter Stirn fragend an.
»Wieso willst du Needle umbringen?«
»Will ich doch gar nicht. Es interessiert mich einfach nur«, schnaubte ich.
»Traumgebilde kann man nicht vernichten. Sie sitzen hier für alle Ewigkeiten fest.« Bei seinen Worten tat mir Needle irgendwie leid. Sicher, er war aus einer menschlichen Phantasie heraus entstanden und eigentlich kein wirkliches Wesen, das einmal zur Welt gekommen war, aber trotzdem hatte er so menschliche Züge an sich, dass es mir schwerfiel, ihn nicht als einen solchen zu sehen.
»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte ich.
»Raus aus dem Wald. Wir müssen die Schlucht durchqueren, solange es Tag ist, denn in der Nacht ist es dort zu gefährlich«, antwortete Matt. Ich blieb wie angewurzelt stehen.
»Schlucht? Welche Schlucht?«
»Die der Feuerwölfe.« Ich stand nur da und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Was um alles in der Welt waren Feuerwölfe.
»Feuerwölfe?«, flüsterte ich kaum hörbar und weigerte mich, auch nur einen weiteren Schritt zu machen, der mich näher an eine Schlucht mit diesen Wölfen führen würde.
»Du hast sie letzte Nacht heulen gehört, erinnerst du dich?«, fragte Matt.
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete ich nickend. »Aber nur weil ich sie gehört habe, bedeutet das nicht, dass ich sie auch kennenlernen möchte.«
»Nun komm schon, es wird dir nichts passieren. Ich war schon zweimal in dieser Schlucht und bin keinem einzigen
Weitere Kostenlose Bücher