Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
Vom Netzwerk:
verschiedenen Arten und Bodensorten im Outback beschreiben. Einige Wörter konnte ich mir jedoch leicht merken, zum Beispiel Kupi für Wasser. Es machte ihnen offensichtlich Spaß, Wörter meiner Sprache zu erlernen, und sie stellten sich bei deren Aussprache geschickter an, als ich es bei den Aborigines-Wörtern tat. Weil sie die Gastgeber waren, versuchte ich mich so gut wie möglich nach ihren Gebräuchen zu richten. In Geoffs Geschichtsbüchern hatte ich gelesen, daß es über zweihundert verschiedene Aborigine-Sprachen und sechshundert Dialekte gegeben hatte, als die ersten britischen Kolonisten sich in Australien niederließen. Von Zeichensprache und Kopf-zu-Kopf-Unterhaltungen war in den Büchern jedoch nicht die Rede gewesen. Zur Verständigung benutzte ich oft eine sehr vereinfachte Form von Zeichensprache. Tagsüber tauschten die Stammesmitglieder Botschaften und Geschichten auf telepathischemWeg aus, deshalb erschien es mir höflicher, einer neben mir gehenden Person etwas per Zeichen mitzuteilen, statt sie mitten in einem Satz zu unterbrechen. Für »Komm her« benutzten wir das universelle Zeichen eines lockenden Zeigefingers, für »Stop« drehten wir die Handflächen nach außen, und für »Still« legten wir die Finger auf die Lippen. In unseren ersten gemeinsam verbrachten Wochen mußten sie mich oft zum Stillschweigen anhalten, aber mit der Zeit lernte ich, nicht ständig zu fragen, sondern zu warten, bis sie mich an ihrem Wissen teilhaben ließen.
    Einmal sorgte ich während unseres Tagesmarsches für Gelächter, das wie eine Woge über uns zusammenschlug. Ich hatte mich gekratzt, weil mich irgendein Insekt gestochen hatte. Daraufhin brüllten sie plötzlich vor Lachen und imitierten meine Bewegung. Das besondere Zeichen, das ich unwissend angewendet hatte, bedeutete, daß ich ein Krokodil gesehen hatte.
    Und wir waren mindestens zweihundert Meilen vom nächsten Sumpf entfernt. Wir waren schon mehrere Wochen gemeinsam unterwegs, als ich immer dann, wenn ich mich von der Gruppe entfernte, von Augen umzingelt wurde. Und je dunkler die Nacht wurde, um so größer schienen diese Augen zu werden.
    Schließlich gelang es mir, die nächtlichen Schemen zu identifizieren. Es war eine Meute bösartiger wilder Dingos, die unserer Fährte folgten.
    Zum ersten Mal bekam ich es richtig mit der Angst zu tun und rannte ins Lager zurück, um Ooota von meiner Entdeckung zu berichten. Er erzählte es wiederum dem Ältesten, worauf sich alle Umstehenden mit besorgten Gesichtern uns zuwandten. Geduldig wartete ich auf ihre Worte, denn ich wußte mittlerweile, daß diese nicht automatisch aus den »Wahren Menschen« hervorquellen - sie denken erst, bevor sie sprechen. Ich hätte langsam bis zehn zählen können, bevor mir Ooota ihre Reaktion übersetzte. Es war ein Geruchsproblem - ich hatte angefangen zu stinken. Ich konnte es selbst riechen und es am Gesichtsausdruck der anderen ablesen, aber leider wußte ich keine Lösung. Das Wasser war so knapp, daß wir es nicht zum Baden vergeuden konnten, außerdem hätte es gar keine Wanne gegeben. Meine dunkelhäutigen Gefährten rochen nicht so stark und unangenehm wie ich. Jetzt litt ich wirklich unter diesem Problem, und sie litten mit mir. Es lag wohl zum Teil an meiner sich ständig schälenden Haut und auch an der Energie, die beim Verbrennen von giftigem Fettgewebe freigesetzt wurde, denn ich schien täglich an Gewicht zu verlieren. Das Fehlen von Deodorant und Toilettenpapier tat sein übriges, aber mir war noch etwas anderes aufgefallen.
    Die Stammesmitglieder gingen nämlich fast unmittelbar nach unseren Mahlzeiten in die Wüste hinaus und entleerten sich. Ihr Stuhl stank dabei nicht so penetrant, wie man es bei unserem gewohnt ist.
    Nach fünfzig Jahren Zivilisationskost würde es sicher einige Zeit dauern, bis mein Körper entgiftet war, aber wenn ich noch länger im Outback blieb, konnte ich es schaffen.
    Niemals werde ich vergessen, wie der Älteste mir die Situation erklärte und schließlich die Lösung präsentierte. Um sich selbst machten sie sich keine Sorgen, denn sie hatten mich so akzeptiert, wie ich war, mit allen guten und schlechten Seiten. Es ging ihnen nicht um unsere Sicherheit, sondern um die armen Tiere, die ich an der Nase herumführte! Ooota erklärte mir, die Dingos glaubten, daß der Stamm alte, verrottende Fleischstücke hinter sich herzöge, und das machte sie völlig verrückt. Ich mußte unwillkürlich lachen, denn genauso roch ich - wie

Weitere Kostenlose Bücher