Traumfänger
gelernt hast. Man soll beobachten, aus dem Geschehenen lernen und weiser werden. Es ist gut, für die Erfahrung zu danken, wie ihr sagt, oder sie zu segnen und dann in Frieden weiterzugehen.«
Ich weiß nicht, ob der Knochenbruch dieses Mannes nun schnell geheilt wurde oder nicht. Es gab kein Röntgengerät für Vor- und Nachuntersuchungen, und er war nur ein normaler Mann, kein Übermensch, aber für mich zählte das alles nicht. Er hatte keine Schmerzen, und die Verletzung hatte keine Nachwirkungen.
Für ihn und auch für die anderen war die Erfahrung abgeschlossen, und wir wanderten alle in Frieden und hoffentlich ein wenig weiser weiter. Der Kreis war geschlossen. Jetzt verwendete man auf ihn keine Energie mehr, keine Zeit und keine Aufmerksamkeit.
Ooota erklärte mir, daß sie den Unfall nicht für mich inszeniert hatten. Sie hätten sich nur offen für eine Erfahrung gezeigt, bei der ich durch meine Anwesen-heit etwas über ihre Art zu heilen lernen könnte. Sie hatten um diese Erfahrung gebeten, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß es zum Wohle aller und allen Lebens auf der Welt geschähe. Sie wußten nicht, ob die Zukunft eine solche Herausforderung für sie vorsah und wer von ihnen sich ihr stellen mußte, aber sie wollten mir diese Erfahrung ermöglichen. Als es dann geschah, waren sie dankbar für das Geschenk, das sie mit mir, der »veränderten« Außenseiterin, teilen durften.
Auch ich war an diesem Abend dankbar dafür, daß man mir Zugang zu der rätselhaften Gedankenwelt dieser sogenannten unzivilisierten Menschen gewährt hatte. Ich hätte gern noch mehr über ihre heilkundlichen Methoden erfahren, aber ich wollte nicht die Verantwortung für neue Risiken übernehmen.
Schließlich war das Überleben im Outback auch so schon schwierig genug.
Ich hätte wissen müssen, daß sie natürlich meine Gedanken lasen und schon wußten, was ich wollte, bevor ich die Frage gestellt hatte. An diesem Abend diskutierten wir ausführlich darüber, wie unser sterblicher Körper zum unsterblichen Teil unseres Wesens stand. Und wir berührten erstmals ein Thema, über das wir bisher noch nie gesprochen hatten - die Rolle, die Gefühle und Gemütsverfassungen für Gesundheit und Wohlbefinden spielen.
Sie glauben, daß es unsere gefühlsmäßige Einstellung ist, die uns prägt. Sie durchdringt jede einzelne Zelle unseres Körpers, schlägt sich im Innersten unserer Persönlichkeit nieder, prägt unser Denken und gelangt sogar bis in unser ewiges Wesen. In manchen Religionen heißt es, daß man die Hungrigen speisen und den Durstigen Wasser geben soll. Für die Stammesleute ist es unwichtig, welche Nahrung und welche Flüssigkeit man gibt und wer es ist, der sie empfängt.
Für sie zählt allein, was man beim freimütigen und barmherzigen Geben empfindet. Einer ausgetrockneten Pflanze oder einem sterbenden Tier Wasser zu geben oder einem anderen Menschen Mut zu machen, sind Erfahrungen, die uns in unserem Verständnis des Lebens und unseres Schöpfers ebenso weiterbringen können, wie einem Hungernden oder Durstenden Nahrung zu spenden. Man verläßt die diesseitige Daseinsebene mit einer Art Punktekarte, auf der genau notiert ist, wie wir in jedem einzelnen Moment mit unseren Gefühlen umgegangen sind. Und es sind die unsichtbaren, nicht die körperlichen Gefühle, die unser ewiges Wesen ausmachen und den Unterschied zwischen gut und weniger gut definieren. Unsere Handlungen sind nur das Mittel, mit dessen Hilfe wir Gefühle sowie Absichten ausdrücken und erfahren dürfen.
Die beiden eingeborenen Ärzte hatten den gebrochenen Knochen gerichtet, indem sie dem Körper die Vorstellung der Perfektion vermittelt hatten. Mit ihren Köpfen und Herzen hatten sie dabei genausoviel gearbeitet wie mit ihren Händen. Der Patient war offen für eine Heilung und bereit, die Gesundheit zu empfangen; er glaubte daran, sofort und vollständig geheilt werden zu können. Was mir wie ein Wunder vorkam, galt bei den Stammesleuten erstaunlicherweise als völlig normal. Ich begann mich zu fragen, wie sehr bei uns zu Hause das Leiden an Krankheiten oder die Hilflosigkeit des einzelnen von einer gefühlsmäßigen Vorprogrammierung abhängig ist - wenn auch nicht auf einer bewußten, so doch auf einer unbewußten Ebene.
Was würde geschehen, wenn sich die Ärzte bei uns im gleichen Maß auf die innere Heilkraft des menschlichen Körpers verließen, wie sie an die Wirkung oder Wirkungslosigkeit einzelner Medikamente
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