Traumfänger
bunten Federn verteilten wir unter uns. Die Stammesangehörigen fertigten daraus neuen Kopfschmuck und neue Brustplatten; einige wurden zur Herstellung von Binden für die Frauen benutzt. Wir aßen das Fleisch, aber das Gehirn der Vögel wurde vorher entfernt und aufbewahrt. Es wurde getrocknet und später entweder ihren Pflanzenheilmitteln zugegeben oder mit Wasser und Öl zu Gerbmitteln verrührt. Die wenigen Reste überließen wir dem wilden Dingorudel, das uns von Zeit zu Zeit verfolgte.
Es gab keine Abfälle. Alles wurde der Natur und der Erde zurückgegeben. Auch nach diesem Picknick hinterließen wir keinen Müll. Keine unserer Lagerstellen gab einen Hinweis darauf, daß hier jemals gerastet und gespeist worden war. Die »Wahren Menschen« sind Meister der Anpassung, sie verschmelzen mit ihrer Umwelt, nutzen sie und verlassen sie dennoch unberührt.
16 • Nähstunde
Wir waren mit dem Essen fertig. Das Feuer war nur mehr ein angenehmes Glühen der Scheite, und von Zeit zu Zeit stieg ein einzelner Funke in den grenzenlosen Himmel über uns. Einige von uns hatten sich in einem Kreis um das Feuer gesetzt. Wie viele amerikanische Indianerstämme halten es auch diese Menschen für wichtig, die anderen zu beobachten, wenn man in einem Kreis zusammensitzt.
Besonders genau sollte man sich die Person anschauen, die einem direkt gegenübersitzt, denn in ihr spiegelt sich die eigene Seele. Was man an diesem Gegenüber bewundert, sind die Eigenschaften, die man bei sich selbst verstärkt finden möchte. Die unangenehmen Wesenszüge und Verhaltensweisen des Gegenübers sind dieselben, an denen man bei sich selbst arbeiten muß. Nur wenn man in seinem eigenen Wesen über die gleichen Stärken und Schwächen verfügt, kann man sie bei anderen als gut oder schlecht erkennen.
Unterschiede gibt es nur im Grad der Selbstdisziplin und in der genauen Art und Weise, wie sich diese Eigenschaften bei der jeweiligen Person ausdrücken.
Die »Wahren Menschen« glauben fest daran, daß man nur dann etwas an sich ändern kann, wenn man von der Notwendigkeit einer Änderung auch wirklich überzeugt ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann jeder Mensch alles an sich ändern. Es gibt dabei keinerlei Begrenzung für das, was man abwerfen oder hinzugewinnen kann.
Ebenso glauben sie, daß man den anderen nur durch den eigenen Lebenswandel, die eigenen Handlungen und Verhaltensweisen beeinflussen kann. Und diese Überzeugung läßt die Stammesmitglieder jeden Tag daran arbeiten, selbst bessere Menschen zu werden.
Ich saß der Nähmeisterin gegenüber. Mit gesenktem Kopf hatte sie sich ganz auf die Arbeit in ihrem Schoß konzentriert. Vor ein paar Stunden war der Große Steinjäger auf sie zugekommen, nachdem das Wassergefäß, das er immer um die Taille trug, plötzlich zu Boden gefallen war. Es war nicht die Känguruhblase mit ihrem wertvollen Inhalt, die mürbe geworden war, sondern nur das Lederband, mit dem er sie befestigt hatte.
Die Nähmeisterin durchtrennte den Naturfaden mit ihren Zähnen. Durch ihren ständigen Einsatz als Werkzeug waren sie glattpoliert und auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe reduziert.
Jetzt hob sie den Kopf von ihrer Arbeit und sagte: »Das ist ein interessantes Thema, die Einstellung der >Veränderten< zum Alter. Arbeiten, für die man zu alt wird. Nicht mehr nützlich zu sein.«
»Aber nie zu alt, um noch geschätzt zu werden«, fügte jemand hinzu.
»Mit eurem Wirtschaftssystem scheint ihr >Veränderten< euch selbst in Gefahr gebracht zu haben«, fuhr die Nähmeisterin fort. »Ihr habt damit angefangen, weil viele zusammen mehr herstellen und bewirken können als einer allein. Euer System fördert auch den einzelnen in seiner individuellen Begabung und bietet jedem die Möglichkeit, an eurem Geldsystem teilzunehmen. Aber mittlerweile geht es euch bei allen Geschäften nur noch darum, im Geschäft zu bleiben.
Uns ist das sehr fremd, denn wir sehen in einer Sache nur das, was sie wirklich ist, und auch in einem Menschen nur das, was er wirklich ist, aber Geschäfte sind unwirklich. Ein Geschäft ist nur eine Idee, eine Vereinbarung, und trotzdem gilt es, um jeden Preis im Geschäft zu bleiben. So etwas ist schwer zu verstehen.«
Jetzt begann ich, ihnen von unserem Wirtschaftssystem zu erzählen: Ich redete von freiem Unternehmertum, von Privateigentum, Unternehmensformen, Aktien und Wertpapieren, von Arbeitslosenhilfe, Sozialversicherung und Gewerkschaften. So gut ich konnte,
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