Traumfänger
weilten, niemals versiegte. Es herrschte eine Atmosphäre von Reinheit und Klarheit, einfach, aber ewigwährend.
Es war das einzige Mal, daß ich diese Leute auf so etwas wie persönlichen Besitz Anspruch erheben sah. In der Höhle bewahrten sie die Gerätschaften für ihre Zeremonien auf. Es gab auch bessere Schlafstätten, die aus mehreren zu bequemen Betten aufgeschichteten Tierfellen bestanden. Jetzt sah ich auch, was sie aus den Kamelhufen herstellten - Schneidewerkzeuge.
Dann erblickte ich einen Raum, den ich das Museum nennen möchte. Hier bewahrten sie all die Dinge auf, die von den Kundschaftern im Laufe der Jahre aus den Städten herbeigeschleppt worden waren. Es gab Illustrierten- und Prospektbilder von Fernsehern, Computern, Autos, Panzern, Raketenwerfern, Spielautomaten, berühmten Gebäuden, Menschen verschiedener Rasse und sogar Fotos aus Gourmet-Zeitschriften. Aber die Kundschafter hatten nicht nur Bilder mitgebracht, sondern auch die Dinge, die hier aufbewahrt wurden: Sonnenbrillen, einen Rasierapparat, einen Gürtel, einen Reißverschluß, Sicherheitsnadeln, Kneifzangen, ein Thermometer, Batterien, mehrere Stifte und Füllfederhalter sowie ein paar Bücher.
In einem Teil der Höhle stellte der Stamm ein stoffähnliches Produkt her. Mit benachbarten Stämmen betreiben sie einen Tauschhandel und kommen so in den Besitz von Wolle und anderen Fasern. Manchmal weben sie sogar Decken aus Baumrinde, und auch Seile werden gelegentlich angefertigt. Ich sah zu, wie ein Mann ein paar Fasern in die Hand nahm und sie auf seinem Schenkel rollte. Während er sie zwirnte, fügte er immer neues Material hinzu, bis er eine lange Schnur in der Hand hielt. Diese Schnüre wurden dann wieder zu Seilen unterschiedlicher Dicke verwoben.
Auch Haare wurden zu verschiedenen Dingen verarbeitet. Damals war mir noch nicht klar, daß die Stammesangehörigen sich aus Rücksicht auf mich bedeckt hatten. Sie wußten, daß es mir in diesem Stadium meines Lebens sehr schwer fallen würde, mit Leuten umzugehen, die ganz ohne Kleidung lebten. Vielleicht hätte es unser Zusammensein sogar unmöglich gemacht.
An diesem Tag kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, und Ooota begleitete mich auf meiner Entdeckungsreise mit seinen Erklärungen. Weiter im Inneren der Höhle waren Fackeln notwendig, aber in der Hauptebene konnte man die Felsen auf dem Hügel von außen so verschieben, so daß man alle Helligkeitsstufen vom dämmrigen Schummerlicht bis zur Festbeleuchtung einstellen konnte. Diese Höhle der »Wahren Menschen« war kein Gotteshaus, denn eigentlich ist jede Minute ihres Lebens Gebet und Gotteslob. Für sie war diese heiligste Stätte der Ort, an dem sie ihre Geschichte bewahrten. In dieser Höhle wurde die Wahrheit gelehrt, und hier gab man die Werte der Ahnen weiter. Sie war eine Zufluchtsstätte vor der Gedankenwelt der »Veränderten Menschen«.
Als wir in den zentralen Bereich zurückkehrten, hielt Ooota mir die Holz- und Steinstatuen zur genaueren Betrachtung hin. Seine breiten Nasenflügel bebten, als er mir erklärte, daß der jeweilige Kopfschmuck etwas über die Eigenschaften der Figur verriet.
Ein kurzer Kopfschmuck wies auf die vom Verstand gesteuerten Dinge hin: unser Gedächtnis, unsere Entscheidungskraft, die Wahrnehmung der Sinne, das Empfinden von Schmerz und Freude und alles, was ich mit dem bewußten und unterbewußten Denken in Verbindung brachte. Der hohe Kopfschmuck repräsentierte unser kreatives Wesen, mit dem wir uns Wissen aneignen und Neues erfinden, Erfahrungen machen, die real oder auch irreal sind, und die Weisheit begreifen, die allen Menschen und Kreaturen der Welt, die je gelebt haben, eigen ist. Die Menschen streben ständig nach Wissen, doch scheinen sie dabei nicht zu erkennen, daß auch die Weisheit nach einer Ausdrucksmöglichkeit sucht. Der hohe Kopfschmuck stand auch für das wahre und perfekte Selbst, für das ewige Wesen in jedem von uns, an das wir uns immer wenden können, wenn wir wissen müssen, ob das, was wir tun wollen, auch zu unserem eigenen Besten und zum Besten des höchsten Wesens ist. Es gab noch einen dritten Kopfschmuck, der das geschnitzte Gesicht der Figur fächerförmig umgab und über ihren Rücken bis zu den Füßen fiel. Dieser Schmuck stand für die Verbindung aller Aspekte bei den Menschen: das Physische, das Emotionale und das Spirituelle.
Die meisten Figuren waren ungeheuer fein gearbeitet, aber bei einer hatte man zu meiner Überraschung die Pupillen in
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