Traumfrau ahoi: Roman (German Edition)
versehentlich die Steuerkonsole zerschossen hatte, würde er sie jetzt wohl auch nicht mehr umbringen.
Dennoch machte er ihr Angst. Trotz seiner Verletzungen und Blutergüsse im Gesicht und am ganzen Körper hatte er sie problemlos überwältigt. Mit dem Fischmesser bewaffnet, fühlte sie sich in seiner Gegenwart wenigstens ein klein wenig sicherer.
Schlimmer als ihre Angst vor ihm war jedoch die hilflose
Wut, die sich in ihr staute. Je länger sie darüber nachdachte, desto deutlicher wurde ihr bewusst, dass Wut bei weitem nicht ausreichte, um das Gefühl zu beschreiben, das sie ihm und der Situation gegenüber hegte, in die er sie gebracht hatte – ungeachtet der Tatsache, dass er sie wahrscheinlich nicht einmal in seine Probleme hatte hineinziehen wollen. Trotzdem war sie mittendrin, und es war nicht auszuschließen, dass sie und Baby auf dem endlosen Atlantik sterben mussten. Nach dem Gespräch mit Max am Morgen musste sie sich nicht nur fragen, ob sie verhungern oder verdursten würde, nein, inzwischen kam noch die Angst hinzu, dass der Drogenboss, der Max verprügelt hatte, auch ihrem Leben ein Ende setzen könnte.
Wenn sie den Signalspiegel in den Händen hielt, konnte sie also nicht sicher sein, ob er ihr Leben retten oder sie einem Schicksal aussetzen würde, das noch schlimmer wäre als der Hungertod. Trotzdem musste sie ihr Glück versuchen. Die Thatchs hatten die Jacht mit Sicherheit längst als gestohlen gemeldet, und irgendjemand würde doch wohl bemerkt haben, dass sie, Lola, verschwunden war. Ganz bestimmt suchte man schon längst nach ihr.
Also würde sie das Risiko eben eingehen, ob ein Drogenboss oder die Küstenwache ihre Signale auffing. Sie würde es weiter mit dem Spiegel probieren, bis jemand sie von diesem verflixten Boot holte.
Lola durchsuchte die Passagierkajüte nach Sonnencreme und fand im Bad eine Tube mit Sonnenschutzfaktor 15. Sie massierte die Creme in ihre trockene Haut ein, ehe sie die zweite Schicht auf Gesicht und Hals verteilte. Irgendwann während der Nacht hatte sie ihre Sandalen verloren und sah sich nach einem anderen Paar um. Sie fand nichts außer alten Leinenturnschuhen und beschloss, sie stehen zu lassen.
Lola neigte den Kopf und betrachtete sich in den Spiegeltüren
des Kleiderschranks. Abgesehen davon, dass das Kleid entsetzlich hässlich war, gehörte es offenbar auch noch Dora Thatch, einer Frau, die zehn Zentimeter kleiner und dreißig Pfund schwerer war als sie. An den Hüften war es zu weit, um die Brust herum hingegen zu eng. Die Knöpfe an der Vorderseite sperrten, und selbst bei gesenkten Armen bedeckte der Rock kaum die Hälfte ihrer Oberschenkel. Das Schlimmste allerdings war ein strategisch platziertes Büschel Kirschen, das wie ein Feigenblatt genau den Schritt bedeckte.
Draußen hörte sie Baby in wildes Gebell ausbrechen, und ihr Herz begann zu rasen. Sie griff nach dem Fernglas und dem Spiegel und hastete durch die Kombüse ins Freie.
Erst als sie auf dem Achterdeck stand und nichts als endlosen blauen Ozean und ebenso endlosen blauen Himmel sah, wurde ihr klar, dass sie gehofft hatte, die Küstenwache kommen zu sehen. Die Hoffnung schrumpfte in ihrem Herzen und legte sich ihr schwer auf den Magen.
Baby stand an der offenen Tür am Heck und starrte hinunter auf die Schwimmplattform. Er bellte so angestrengt, dass sein Hinterteil mehrere Zentimeter vom Boden abhob. Lola trat an die umlaufende Sitzbank, spähte über die Reling und erhaschte einen Blick auf das nackte Hinterteil des ›guten alten Max‹. Augenscheinlich litt er nicht unter übertriebener Prüderie und scheute sich nicht, vor ihren Augen zu baden.
Er ließ einen an einem Seil befestigten Eimer ins Wasser, zog ihn wieder hoch und goss sich den Inhalt über den Kopf. Wasser rann durch sein schwarzes Haar und platschte auf seine breiten Schultern. Die Rinnsale folgten den ausgeprägten Muskelsträngen auf seinem Rücken und der Wölbung seiner Wirbelsäule. Tröpfchen glitten über seine Hinterbacken und die Oberschenkel, ehe sie sich zu seinen Füßen sammelten. Er schüttelte den Kopf, sodass das Wasser nach allen Seiten spritzte.
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen wandte Lola sich ab. Womit dieser Max in Wahrheit seinen Lebensunterhalt verdiente, welche Sünden er dabei begangen hatte, wusste nur Gott allein, aber er hatte einen Körper, wie er normalerweise nur in Fitness-Magazinen oder auf Männerstrip-Kalendern vorkam.
Trotz seines übel zugerichteten Gesichts und
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