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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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überlegen. Was haben wir denn schon vom Leben? Unsere Zeit ist um. Wir treten bald ab. Guck mich an. Meine Gesundheit hab ich in dem Scheiß Pütt versaut. Und nun kann ich mich von Hanne rumkommandieren lassen ...”
    „Also Hans, jetzt bist du aber wirklich ungerecht. Sie ist eine fleißige Frau und ...
    „Ich kann’s nicht mehr hören! Jedes Mal, wenn einer sagt, dass sie eine fleißige Frau ist, meint er damit im Grunde, dass ich ein fauler Sack bin.”
    Günther Ichtenhagen spürte die grausame Verletzung, die Hans Wirbitzki mit sich herumtrug. Schlimmer als seine kaputte Lunge, quälender als der Steinstaub.
    Hans Wirbitzkis Sätze gehörten nicht in diese Umgebung. Passten nicht zu diesem friedlichen Fleck Erde an der Ichte. Sie beleidigten die Natur und störten deren erfrischende Kraft.
    Als der Holunderduft verflog, waren die Kopfschmerzen wieder da. Das drückende Gefühl hinter den Augen meldete sich noch stärker als zuvor.
    Wie jeden Sonntag erwartete er auch heute seine Tochter Kati und seine Enkeltochter Stefanie. Seit er den Teich im Garten angelegt hatte, war er für Stefanie von einem uninteressanten alten Mann zu einem tollen Opa geworden. Sie bestaunte seinen Teich geradezu andächtig. Mit einem Käfig voller Löwen hätte er sie nicht mehr beeindrucken können. Da er jede Pflanze kannte, weil er sie selbst gesetzt hatte, konnte er ihr alles erklären. Wenn er ihr beim Erzählen in die Augen sah, wusste er, dass sie zu oft vor den Fernseher abgeschoben wurde. Warum, dachte er, erzählt Kati ihr keine Geschichten? Warum liest sie ihr nicht aus Märchenbüchern vor? Warum erschlagen sie die kindliche Phantasie mit schnellen, grellen Bildern? Der Schwiegersohn kam fast nie mit. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sich bei seinem Schwiegervater langweilte und Besseres zu tun wusste.
    Günther Ichtenhagen stellte sich seinen Schwiegersohn schnarchend auf der Wohnzimmercouch vor, während im Fernsehen die Sportschau lief. Er war noch keine dreißig, aber er gehörte zu denen, die alt auf die Welt kommen. Unvorstellbar, dass er je etwas anderes als seine Rente im Sinn hatte.
    Streit hatten sie nie. Worüber hätten sie sich entzweien sollen? Er war ein interesseloser Mensch, der alles nur langweilig und öde fand und in Ruhe gelassen werden wollte.
    Günther Ichtenhagen wusste, dass es keine uninteressanten Dinge gab, sondern nur desinteressierte Menschen. Wer sich wirklich mit etwas beschäftigte, dem öffneten sich Welten. Es störte ihn überhaupt nicht, dass sein Schwiegersohn die Arbeit am Teich belächelte. Dieser Dummkopf ahnte ja nicht, was ihm entging.
    Günther Ichtenhagen schritt kräftiger aus. Er wollte die Wohnung noch aufräumen, bevor Kati kam. Sie sollte nicht den Eindruck bekommen, ihr Vater führe ein Lotterleben.
    Sie hatte ihm schon oft empfohlen, sich eine Haushaltshilfe zu nehmen. Im Dorf ließ sich bestimmt ein Mädchen finden, das für ein paar Mark bereit war, seine Wäsche zu waschen und das Haus in Ordnung zu halten. Er wehrte sich gegen diesen Gedanken. Er war weder faul noch hilflos. Und schon gar kein Pflegefall. Je öfter Kati davon sprach, desto heftiger keimte in ihm Misstrauen. Befürchtete sie vielleicht, er könne über kurz oder lang pflegebedürftig werden, und sie müsste dann – schon allein wegen der Nachbarn – täglich ins Dorf kommen, um ihn zu versorgen?
    Jedes Mal wenn er sich bückte, um eine Bierflasche in den Kasten zurückzustellen, geriet sein Kopf zwischen zwei dröhnende Propellermotoren. Wenn er sich wieder aufrichtete, entfernte sich der Lärm.
    Er riss die Fenster weit auf und schnappte nach Luft. Er brachte den Bierkasten in den Keller zurück und wischte sogar die Tischplatte wieder blank, dann ließ er sich müde, unendlich müde in den Sessel fallen und streckte die Beine von sich, als ob sie nicht zu ihm gehören würden.
    Viel zu früh klingelte es. Er rief: „Herein”, schließlich hatte Kati einen Schlüssel, und der Weg vom Sessel bis zur Tür schien ihm plötzlich unendlich weit. Doch es klingelte ein zweites Mal, das war nicht Kati. Bis jetzt hatte er an jedem Sonntag schon von weitem Stefanies Stimme gehört.
    „Opi, Opi, darf ich die Goldfische füttern?”
    Diesmal vernahm er von Stefanie keinen Ton. Sie war ein fröhliches, lebhaftes Kind. Undenkbar, dass sie schweigend neben ihrer Mami vor der Tür stand.
    „Günther? Stör ich dich beim Mittagsschlaf?”
    Hermann Segler. Komisch, dachte Günther Ichtenhagen, er kommt

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