Traumfrau (German Edition)
anderes als die vereinbarten Arbeiten zu leisten, drohte er den Frauen mit der Polizei, denn sie hatten nur ein Touristenvisum; ihre Arbeit war daher illegal, und sie mussten den Flugpreis noch an ihn zurückzahlen. So leisteten die verängstigten Frauen seinen Anweisungen Folge. Nach der Arbeit schloss er sie in einzelne, kleine Zellen ein; Ausgang hatten sie nie. Ihre Papiere und die Rückflugtickets fand die Polizei in einem Banksafe. Die ganze Geschichte war aufgeflogen, weil einem „Kunden” aufgefallen war, dass sich die Mädchen merkwürdig scheu und ängstlich verhielten. Der „Kunde” befreite eins der Mädchen in einer privaten Aktion aus seiner Zelle und überredete es schließlich, mit ihm zur Polizei zu gehen.
Fünftausend Mark Geldstrafe erschien Günther Ichtenhagen herzlich wenig. Wie viel mochte der an den drei Frauen in der Zwischenzeit verdient haben? Das Geschäft hatte sich wahrscheinlich trotz der Geldstrafe gelohnt. So ein Urteil, dachte Günther Ichtenhagen, ist wohl eher eine Ermutigung als eine Strafe.
In seinen Träumen sah Günther Ichtenhagen sich in der Rolle des „Kunden”, der die Mädchen befreit hatte. Der Wunsch, so ein armes Geschöpf unter seine Fittiche zu nehmen und ihm ein sicheres Leben zu gewähren, wuchs. Der Gedanke, für ein junges Mädchen zum Retter in der Not zu werden, gefiel ihm. Wann war ihm das letzte Mal jemand dankbar gewesen? So eine Thailänderin würde dankbar sein. Ihn versorgen und sich um seinen Haushalt kümmern. Mit so einer Frau an seiner Seite wäre der Gedanke an ein Altersheim endgültig aus der Welt.
Waren nicht viele von diesen Thaimädchen sogar ausgebildete Krankenschwestern? Und sie bräuchte nicht in einem Krankenhaus zu arbeiten. Sie sollte nur für ihn da sein.
Seine Rente reichte aus. Überhaupt ... seine Rente ... Nach seinem Tod würde sie eine Witwenrente beziehen. Sie hätte mit dieser Ehe ausgesorgt. Ja, er hatte ihr etwas zu bieten.
Sein Herz raste. Er musste sich wieder hinlegen.
Erst Mittwoch am späten Nachmittag, als die Bäume bereits scherenschnittartige Schatten warfen, fütterte er seine Goldfische. Die Teichpumpe spuckte nur gurgelnd Wasser aus. Hier war etwas nicht in Ordnung. Noch vor einer Woche hätte ihn jede Unregelmäßigkeit, die den Lebensraum in seinem Teich gefährdete, zu hektischer Betriebsamkeit veranlasst; jetzt nahm er es zur Kenntnis wie die Nachricht über ein fernes Erdbeben, das er nicht verhindern konnte.
Seit zwei Tagen dudelte unaufhörlich das Radio und gab seinem Leben eine geschwätzige Kulisse. Er hörte weder auf die Musik, noch interessierten ihn die Wortbeiträge. Das Radio gab ihm lediglich das Gefühl, nicht ganz allein zu sein.
Seine Bewegungsunlust wuchs. Seine Muskeln zogen sich nur zäh zusammen wie abkühlender Teer. Am Freitagabend, kurz bevor er in die Linde gehen wollte, rief Kati an und erkundigte sich nach seinem Befinden. Es sei alles in Ordnung, log er, er fühle sich wohl. Doch sein Tonfall passte nicht zu den Worten und Kati hakte zweimal nach:
„Stimmt das auch, Vater? Soll ich nicht lieber mal nach dir gucken kommen?”
Aber er wollte nicht von ihr bemuttert werden und sie hatte gar keine Zeit für ihn und war dankbar, dass er ihr die Möglichkeit gab zu glauben, es ginge ihm gut. Dann plapperte Stefanie noch ein paar Sätze für ihren Opa. Obwohl er gern mit dem Kind telefonierte, wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich abgelenkt. Er wollte nur noch auflegen. Im Radio lief ein Bericht, den er unbedingt hören musste. Er schnappte Worte auf, die ihn elektrisierten. „Prostitutionstourismus in Thailand”, „Späte Folgen des Vietnamkrieges”, „Zweite Generation”.
Es war nicht leicht, Stefanies Redefluss abzuwürgen. Ihm fiel keine Ausrede ein. Obwohl es ihm unangenehm war, schaffte er es, einfach aufzulegen. Er konnte später zurückrufen und irgendeine Erklärung erfinden.
Mit wenigen Schritten war er beim Radio. Er drehte lauter und sah sich nach Kugelschreiber und Papier um. Er wollte einige Aussagen mitschreiben.
„Mitte Februar war es mal wieder so weit. Fast achttausend Soldaten der US Marine gingen im thailändischen Pattaya an Land, um sich von einem dreiwöchigen Manöver im südchinesischen Meer zu erholen. Örtliche Tourismusbehörden schätzten, dass jeder der Seeleute durchschnittlich dreihundert Mark für ,rest and recreation’ ausgeben würde. Also für Ruhe und Erholung, wie es verharmlosend heißt; gemeint sind hauptsächlich Ausgaben
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