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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Pornoheftchen. Dabei hatte Kati, solange sie im Haus der Eltern wohnte, die Zeitung jeden Morgen aus dem Briefkasten geholt. Sie dachte sich nichts dabei, wahrscheinlich wäre ihr nicht einmal aufgefallen, dass eine Annonce mit Kugelschreiber eingekreist war.
    Günther Ichtenhagens Handflächen wurden feucht. Mit beiden Händen griff er nach seiner Tasse. Er hielt sie behutsam zwischen den Fingern wie hauchzartes, chinesisches Porzellan. Obwohl der Kaffee nur lauwarm war, blies er über die schwarze Oberfläche, bis sie sich kräuselte.
    Stefanie plapperte fröhlich drauflos, und eigentlich liebte er ihre kindlichen Worte, ihre unschuldigen Gedanken. Doch heute rauschten sie an ihm vorbei. Wie an jemandem, der Jahre am Meer gewohnt hat und schließlich das Geräusch der Wellen nicht mehr hört. Er sah ihr Lachen und die Bewegungen ihres Mundes, bemühte sich auch zurückzulächeln, dachte aber über Dinge nach, die ihn zu sehr in Anspruch nahmen, als dass er sich Stefanie wirklich hätte zuwenden können.
    Wieso ist das unanständig? Hast du etwa etwas gegen Behinderte? Das ist doch eine tolle Sache. Die Typen würden sonst nie eine Frau abkriegen, und die Mädchen sitzen da zu Hause in Armut und Dreck. Sie hungern sich durch die schönsten Jahre ihres Lebens und träumen von nichts anderem als hierher, in unser Wirtschaftswunderland, zu kommen. Wenn man ihnen den Traum erfüllen kann, dann sollte man nicht kleinlich sein. Also, ich hab keine Vorurteile ausländischen Frauen gegenüber. Das gebe ich ehrlich zu, und mir gefallen auch die Mädchen, die im Club arbeiten, obwohl, das Ding muss natürlich weg aus unserem Dorf, das ist klar, da sind wir uns einig ...
    Er führte den Kuchen zum Mund, biss hinein und kaute mechanisch daran herum.
    „Opi, schmeckt dir der Kuchen gar nicht?”
    „Doch, mein Kind, dem Opi schmeckt der Kuchen schon. Ich glaube, er ist nur müde. Vielleicht sollten wir besser gehen. Opi muss sich hinlegen.”
    Ohne dass er sie darum gebeten hatte, bereitete Kati ihm im Wohnzimmer auf dem Sofa ein Lager, holte Kissen aus dem Schlafzimmer, schüttelte sie auf und bestand darauf, dass er sich hinlegte. Es gehörte überhaupt nicht zu seinen Gewohnheiten, auf dem Sofa zu schlafen, aber er gehorchte widerstandslos. Ihm fehlte jede Kraft, sich auf Diskussionen einzulassen. Er musste wieder an das kindliche Lächeln des asiatischen Mädchens denken, wie es seinen Teich vom Gartenzaun aus betrachtet hatte, und an die nervösen, fahrigen Bewegungen des Fahrers. Das Mädchen hatte Angst vor diesem Beschützer gehabt. Und er, Günther Ichtenhagen, der ehemalige Lehrer, hatte nicht eingegriffen. Das bohrte in ihm. Jetzt tat sich für ihn die Möglichkeit auf, so einem armen Kind zu helfen. Er konnte ein thailändisches Mädchen aus Hunger und Elend befreien und hierher zu sich in dieses Haus holen, das für ihn allein ohnehin viel zu groß war. Er fühlte sich beinahe ein bisschen heldenhaft bei dem Gedanken, obwohl er wusste, dass mehr als Hilfsbereitschaft dahintersteckte. Doch das versuchte er im Moment zu verdrängen.

5
    Die nächsten Tage tropften träge dahin. Günther Ichtenhagen verließ das Haus immer erst kurz vor neunzehn Uhr, um in der Linde zu essen. Die anderen traf er nicht. Er empfand das Wetter als drückend und die Portionen in der Linde als viel zu mächtig. Er schaffte gerade die Salatbeilagen und stocherte dann lustlos in dem anderen Essen herum. Er mied Bier und Wein, trank stattdessen Mineralwasser und Tee. Sogar auf seinen Aalborg Aquavit verzichtete er. Seine Knochen waren merkwürdig schwer geworden. Die Gelenke wurden durch ein dumpfes Gefühl gelähmt und eine ständige Müdigkeit reduzierte seine Tatkraft. Schon das Zeitunglesen und das Abendessen in der Linde strengten ihn an. Um seinen Teich kümmerte er sich nicht mehr. Er erwischte sich dabei, dass er die Zeitung fast systematisch auf Nachrichten aus Thailand durchsuchte. Vergeblich. Keine Reiseberichte. Keine politischen Nachrichten. Und erst recht nichts über die Frauen dieser Region. Nur ein kurzer einspaltiger Gerichtsbericht schreckte ihn auf.
    Ein Frankfurter Zuhälter war zu fünftausend Mark Geldstrafe wegen Menschenhandels verurteilt worden, weil er in seiner Bar thailändische Mädchen zwang, als Animierdamen und Prostituierte zu arbeiten. Er hatte sie laut Zeitungsbericht mit dem Versprechen nach Deutschland geholt, in seinen Restaurants sechs Monate Arbeit für sie zu haben. Als sie sich weigern wollten,

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