Traumfrau (German Edition)
Wunderkerze.
„Willst du mir allen Ernstes eine solche Knochenarbeit aufschwatzen? Da hätte ich ja gleich auf dem Scheißpütt bleiben können. Siehst du nicht, wie der schuftet?”
„Man kann nicht nur rumsitzen und simulieren. Dabei wird man ja schwermütig. Ein Mann muss etwas haben, woran er denkt und wofür er arbeitet. Etwas, das ihm Spaß macht. Etwas ganz Eigenes. Da ist so ein Teich nicht schlecht. Besser als Briefmarken zu sammeln.”
Jetzt, da ihm diese Worte wieder durch den Kopf gingen, musste er schmunzeln. Ja, bald würde er etwas Eigenes haben, das ihm Spaß machte. Etwas, worauf er sich freute und wofür er lebte. Ein Hobby. Eine Beschäftigung für die vielen freien Stunden. Etwas, das seine Zeit ausfüllte, wenn sie ihrem Seniorchef im Schuhgeschäft schöne Augen machte: ein süßes kleines Thaimädchen. Knabenhaft und geradezu sündhaft jung.
Eine Frau, die ihn nicht als Pflegefall betrachtete, sondern als Mann. Eine, die Respekt vor ihm hatte, ja, vielleicht sogar Angst. Eine, die abhängig von ihm war, von seinen Launen und seinen Wünschen. Eine, die nie auf die Idee käme, ihn herumzukommandieren. Erstens, weil sie stumm war, und zweitens, weil sie gelernt hatte, dass Männer das Sagen haben.
Kleine, zierliche Füße sollte sie haben. Er wollte ihr ein paar Schuhe mit Stöckelabsätzen kaufen. Rot sollten sie sein. Rote Stöckelschuhe! Auf keinen Fall diese entsetzlichen Gesundheitslatschen, mit denen Hanne herumlief. Platt und mit Fußbett.
In Gedanken staffierte er das Mädchen weiter aus und kaute dabei auf dem trockenen Schwarzbrot herum. Die Zigarren vergaß er. Er stand auf und ging zur Toilette. Als er im Flur unabsichtlich sein Spiegelbild sah, erschrak er. Seine Wangen glühten. Sein Blick war fiebrig. Er sah aus, als hätte er zu lange in der Sauna gesessen. Er musste sich ablenken. Am liebsten hätte er einen Schnaps getrunken, doch er wusste, dass der ihm um diese Tageszeit nicht bekommen würde.
Im Zeitungsständer neben der Fernsehillustrierten fand er sein Westernheftchen. Er blätterte hektisch darin herum, suchte die spannende Stelle, wo die schwarzen Reiter die Ranch überfielen. Obwohl seine Augen den Buchstaben folgten, nahm er den Inhalt kaum wahr. Diese Fotos gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er spürte, dass sein Leben eine entscheidende Wendung nahm. Er schlug das Heftchen zu und warf es auf den Tisch. Dabei blätterten ein paar Seiten um. Jetzt lag die letzte Innenseite zuoberst. Die Seite mit den kleinen Anzeigen.
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Er schmunzelte. Vielleicht würde Hanne das als neues Hobby akzeptieren:
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Hanne fände die Idee bestimmt unterstützenswert. Er hätte etwas zu tun und alle könnten hinter seinem Rücken über ihn lachen. Die andere Kleinanzeige dagegen hätte Hanne bestimmt nicht beachtet.
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Er sah auf die Uhr, so als müsse er sich vergewissern, dass es wirklich noch so früh am Tag war und Hanne noch lange keinen Feierabend hatte. Er suchte einen Briefumschlag, füllte umständlich den viel zu kleinen Vordruck der Anzeige aus und hätte vor lauter Vorfreude am liebsten Martin Schöller angerufen, um ihm von der Idee zu berichten. Ja, er würde tolle Sachen für die Kleine aussuchen. Er wollte sie ausstatten wie eine ... wie eine Prinzessin.
Sie brauchte nicht in Lumpen herumzulaufen, nein, das Feinste war für sie gerade gut genug.
Er fuhr in die Kreisstadt, um den Brief abzuschicken. Vor dem Schuhgeschäft, in dem Hanne arbeitete, ging er mehrfach auf und ab und versuchte, durch die Schaufenster einen Blick auf Hanne zu erhaschen. Er wusste nicht, warum er das tat, er
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