Traumfrau (German Edition)
Holzstück und holte zu einem mächtigen Hieb aus. Das war Kraftvergeudung. Er, der gewöhnt war, seine Kraft so maßvoll wie möglich einzusetzen, um die zwölf bis vierzehn Stunden durchzuhalten, die der Bauernhof ihm abverlangte, schmetterte die Axt mit solcher Kraft ins Holz, dass es jedes Mal in den Armgelenken dumpf schmerzte. Er brauchte ein Ventil für seine Wut. Immer wenn ihn etwas maßlos ärgerte, tobte er sich bei schwerer körperlicher Arbeit aus. Er quälte seinen Körper über die Schmerzgrenze hinweg, schuftete bis zur völligen Erschöpfung und legte sich dann in die heiße Badewanne.
Jetzt trieb er die Axt durch eine morsche Latte. Splitter sprangen ab und verletzten ihn an der Stirn. Er spürte, wie Blut austrat und warm vom Haaransatz heruntertropfte, zu den Augenbrauen. Es tat ihm gut. Es war eine Erleichterung. Er wuchtete die Baumwurzel auf den Hauklotz. Mooreiche. Stabil wie eine Panzerplatte. Genau das Richtige für seinen Zorn. Er holte aus.
Er dachte an Helga, seine Tochter. Wenn sich an der damals jemand vergriffen hätte ... Die Vorstellung machte ihn rasend. Er war sogar eifersüchtig auf ihre gleichaltrigen Freunde gewesen. Besonders auf Udo Tiedemann. Er hasste es, wenn sie sich mit Jungen herumtrieb. Seine Tochter sollte ein asexuelles Wesen sein. Er selbst war unter der Herrschaft von Leuten aufgewachsen, die jeden Geschlechtstrieb für abnorm hielten. Er hielt sich für schlecht, weil er seine Träume nicht unter Kontrolle bekam. Niemals hätte er eine Frau heiraten können, die denen aus seinen Träumen glich. So sehr er sich nach einer schlanken, wohlgeformten Frau sehnte – heiraten konnte er so eine nicht. Jeder hätte doch gleich gewusst, dass er sie nur nahm, um nachts Schweinereien mit ihr zu machen. Die Leute sollten so etwas von ihm nicht denken. Nicht von dem kleinen Wolfi. Dem folgsamen Jungen, dem fleißigen Messdiener. Er nahm sich eine unförmige Frau. Eine, die sich selbst zum Krüppel gemästet hatte. Seine Uschi.
Sie wunderte sich, dass sich überhaupt ein Mann für sie interessierte und willigte sofort ein. Sie spürte instinktiv, dass er nicht von ihr verlangen würde abzunehmen. Für ihn brauchte sie nicht schön sein, nicht sexy hexy, ihr Gang musste nicht vor Erotik knistern, sie brauchte sich nicht mit Lippenstift und Schminke zu versuchen, er war keiner von den geilen Böcken, die ihren Frauen ständig nachstellten. Ab und zu würde er sein Recht verlangen, aber sie konnte sicher sein, es würde im erträglichen Rahmen bleiben.
Als seiner Tochter Brüste wuchsen und sie ständig mit dieser Jungenclique herumlief, brachte ihn das fast um. Dieser Udo Tiedemann war frühreif. Das wusste er. Er hatte ihn mehrfach beobachtet, wie er abends durchs Dorf strolchte und sich an den Rollläden der Schlafzimmerfenster zu schaffen machte. Er versuchte hineinzulugen. Dieser Bengel ging trotz aller Verbote mit seiner Tochter. Zum Glück hatte Helga auf ihn gehört und sich nicht an Tiedemann gebunden. Das wäre eine Katastrophe geworden ...
Tiedemann hatte sich genau als das Schwein erwiesen, für das er ihn gehalten hatte. Ihm war es zu verdanken, dass in Ichtenhagen ein Puff eröffnet werden konnte.
Das Beil steckte im Wurzelholz fest. Wolfhardt Paul stemmte seinen Fuß gegen die Wurzel und versuchte, das Beil herauszuziehen. Quietschend gab das Holz nach.
Wenn sich damals einer an ihr vergriffen hätte ... Ich wäre zum Mörder geworden, dachte Wolfhardt Paul. Jawohl. Ich hätte ihn erschlagen. Dass Männer so etwas tun konnten ... Er wusste es aus Filmen, aus Andeutungen in Zeitungsberichten, aber er konnte es sich nicht wirklich vorstellen. Er hielt es für Übertreibung. Als so ein Gerücht über Hans Wirbitzki am Stammtisch in der Linde auftauchte, hatte er ihn vehement verteidigt. Unvorstellbar, dass jemand, den er kannte, der mit ihm in einem Dorf wohnte, so etwas tat.
Zögernd betrat Hans Wirbitzki den Stall.
„Wolfi, du wirst doch nicht ...”
„Lass mich in Ruhe.”
„Ich will mit dir reden ...” – „Hau ab.”
„Ich habe dafür gebüßt. Verstehst du? Ich habe dafür gesessen. Drei Jahre. Irgendwann muss mal Schluss sein.”
Wolfhardt Paul schwang die Axt hoch über seinem Kopf und traf die Wurzel. Aber der Schlag saß nicht. Das scharfe Metall glitt an der Wurzel ab. Es federte zurück, und fast wäre ihm das Beil aus der Hand geflogen. Um so erbitterter hämmerte er jetzt auf die Wurzel ein wie auf einen gefährlichen Gegner. Schweiß
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