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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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meiner Nähe gab ich den Spitznamen »Green Day«. Er hatte dichte Augenbrauen und dunkle Ringe unter den Augen, die mich an den dick aufgetragenen Eyeliner des Green-Day-Frontmanns Billie Joe Armstrong erinnerten. Ich musste über mich selbst lächeln. Der Typ mit der Brille war auf jeden Fall »Buddy Holly«, der Rock-’n’-Roll-Star, der 1959 zusammen mit The Big Bopper und Richie Valens mit dem Flugzeug abgestürzt war. Dieser Unfall ereignete sich vor fast fünfzig Jahren, eine halbe Ewigkeit für manche Menschen – doch mir kam es vor, als wäre es erst gestern gewesen. Plötzlich schnürte sich mir die Kehle zu. Verrinnende Zeit, unaufhörliche Veränderungen, der Verlust von Vertrautem, all das erfüllt mich immer mit großer Traurigkeit.
    Da ich den beiden Männern Spitznamen gegeben hatte, würde ich sie nicht mehr vergessen. Irgendetwas sagte mir, dass ich mich an sie erinnern
musste,
und ich habe gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. In diesem Moment sah Green Day zu mir herüber. Schweiß stand auf seiner Oberlippe. Er wendete den Blick wieder ab, drehte nervös an seiner Armbanduhr und zog den Ärmel seines Sweaters hinunter. Dann sah er erneut in meine Richtung und zuckte kurz zusammen, doch er hatte sich innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wieder unter Kontrolle, griff nach seinem Mantel, der über einer Stuhllehne gehangen hatte, und lief, ohne sich umzusehen, zum Ausgang. Als er die Tür aufstieß, spürte ich wieder, wie ein kalter Luftzug mein Gesicht streifte.
    Der Schwarze, den ich für einen Undercover-Polizisten hielt, kam zu mir herüber und lehnte sich lässig neben mich an die Wand. Er sagte etwa eine Minute lang überhaupt nichts, und ich fragte mich, ob er irgendwelche Psychospielchen mit mir spielen wollte. Dann sah er mich an. Warum er mich nicht mochte, noch bevor wir überhaupt ein einziges Wort miteinander gesprochen hatten, wusste ich nicht, doch ich konnte deutlich den Argwohn und das Misstrauen in seinem Blick erkennen. Es kommt vor, dass ein Mensch besonders intuitiv ist und in meiner Gegenwart unterbewusst eine gewisse Gefahr spürt. Ich war sofort wachsam, beschloss jedoch, mich ganz normal zu verhalten und genauso direkt zu sein wie immer.
    »Sind Sie ein Cop?«, fragte ich.
    »Ich denke, es ist eine viel interessantere Frage, was Sie sind«, erwiderte er prompt.
    »Scheren Sie sich zum Teufel«, sagte ich, stieß mich von der Wand ab und wollte weggehen.
    »Warten Sie!«, sagte er und umfasste meinen Arm.
    Ich blickte auf seine Hand und drehte mich dann langsam zu ihm um. »Was erlauben Sie sich eigentlich?« Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, dass Bubba aufstand und Anstalten machte, zu uns herüberzukommen.
    Der Schwarze bemerkte ihn ebenfalls und ließ meinen Arm so rasch los, als sei er von einer Schlange gebissen worden. Er stieß hervor: »Bitte entschuldigen Sie, ich habe etwas überreagiert. Könnte ich kurz mit Ihnen darüber sprechen, was mit dem Mädchen geschehen ist? Es ist wirklich wichtig.«
    »Kommt ganz darauf an, wer Sie sind«, erwiderte ich. Er zögerte kurz, dann sagte er so leise, dass niemand außer mir es verstehen konnte: »Detective Johnson. Moses Johnson. NYPD.« Er lehnte sich wieder gegen die Wand. »Und Ihr Name ist?«
    »Ich würde gern Ihren Ausweis sehen.«
    »Den kann ich Ihnen leider nicht zeigen. Ich bin nicht im Dienst«, entgegnete er wieder mit kaum hörbarer Stimme.
    »Na klar. Ich vermute eher, dass Sie undercover hier sind und dass sich Ihr Ausweis zusammen mit einer Taschenlampe in Ihrem Stiefel befindet.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte er verblüfft.
    »Sagen wir einfach: aus Erfahrung.«
    Er drückte mir eine Visitenkarte in die Hand. »Meine Nummer steht darauf, genau wie die meines Polizeibezirks. Rufen Sie an.«
    Ich steckte die Karte in die Tasche, ohne einen Blick darauf geworfen zu haben. »In Ordnung. Mein Name ist Daphne Urban, und ich arbeite für die Regierung, für den National Park Service.« Das machte mich in den Augen eines Polizisten zwar nicht zu einer Gleichgesinnten, aber ich hoffte, dass es mir zumindest ein Fünkchen Respekt einbrachte. Zugegeben, es war ein kühner Versuch, und Johnson betrachtete mich dementsprechend argwöhnisch. »National Park Service. Natürlich«, sagte er leise, dann fuhr er etwas lauter fort: »Würden Sie mir bitte mitteilen, was Sie gesehen haben?« Offenbar hatte die Vernehmung begonnen.
    »Klar. Die Kleine ist auf die Theke geklettert. Entweder war sie betrunken

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