Traumfrau mit Fangzähnen
verstopften Broadway und bog in eine Seitenstraße ein. Erst da bemerkte ich, dass ich verfolgt wurde. Die Gegend war ruhig und relativ dunkel, wie geschaffen für einen Überfall – nur glaubte ich keine Sekunde daran, dass hinter mir ein gewöhnlicher Straßenräuber die Verfolgung aufgenommen hatte. Ich beschleunigte den Schritt, rannte beinahe, bog an der nächsten Straßenecke nach rechts ab, presste mich flach gegen die Mauer eines Apartmenthauses und wartete darauf, dass auch mein Verfolger um die Ecke kam. Schon bald hörte ich Schritte. Eine Gestalt mit einer Skimaske huschte an mir vorbei, und ich trat mit all meiner Kraft zu. Der Angreifer flog nach hinten und schlug gegen eine Mülltonne, auf die jemand I LOVE NEW YORK geschrieben hatte. Ich lief zu meinem Verfolger, beugte mich über ihn und zog ihm die Skimaske vom Gesicht. Dunkles Haar flutete hinunter, und die Sängerin von Darius’ Band sah mich mit einem Blick voller Wut und Hass an.
Sie sprang auf mich zu, doch ich wich ihr geschickt aus. Sie rollte sich ab und stellte sich in Angriffsposition auf. Ich tat es ihr gleich. Aus einem Köcher auf ihrem Rücken zog sie einen hölzernen Pflock, poliert und scharf wie ein Messer. »Jetzt wirst du sterben«, sagte sie und begann, mich zu umkreisen.
»Eine von uns wird tatsächlich gleich tot sein«, erwiderte ich, ohne sie aus den Augen zu lassen, »aber ich sicherlich nicht.« Ich griff sie erneut an, trat ihr mit voller Wucht gegen das Schlüsselbein, das mit einem widerlichen Geräusch brach. Ihr linker Arm erschlaffte. Ich drückte sie auf den Boden, hielt ihr Handgelenk fest und schlug ihre Hand wieder und wieder auf das Pflaster, bis sie den Pflock fallen ließ. Die ganze Zeit über bohrten sich ihre Augen in meine. Speichel bedeckte ihre roten Lippen. Meine andere Hand schloss sich um ihre Kehle. Sie hatte verloren, und sie wusste es.
»Wer hat dich geschickt?«, fragte ich und legte meine Hand fester um ihren Hals. Sie antwortete nicht. Ich drückte so fest zu, dass ihre Augen hervortraten. »Wer hat dich geschickt?«, fragte ich erneut, bevor ich den Griff wieder lockerte.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. »Darius, du Idiotin!«, zischte sie.
Die Worte trafen mich wie ein Hammerschlag. Ich sprang von ihr herunter, und sie kam langsam auf die Füße. »Du lügst!«, schrie ich sie an.
»Tatsächlich?«, erwiderte sie. »Dann töte mich doch. Worauf wartest du noch?«
Warum brachte ich sie nicht um? Nun, sie stellte keine Bedrohung mehr dar, und ich wollte ihr Blut nicht an meinen Händen haben oder mich mit ihrer Leiche herumplagen müssen. Ich sah, dass uns Menschen von der anderen Straßenseite aus beobachteten. Sicherlich hatte schon irgendjemand die Polizei alarmiert, und mit der wollte ich jetzt wirklich nicht sprechen.
»Verschwinde«, sagte ich, »bevor ich dich tatsächlich umbringe.« Sie hob ihre Skimaske auf und rannte davon. In der Ferne hörte ich bereits die Sirenen, und ich lief ebenfalls los, ohne mich noch einmal umzusehen.
Der Rest der Nacht verging quälend langsam. Ich wartete darauf, dass Darius zurückkehrte, lief unruhig in der Wohnung herum und wusste nicht, was ich denken sollte. Ich musste ihn auf jeden Fall mit der Anschuldigung des Mädchens konfrontieren. Ich hatte zwar keine Erklärung dafür, aber trotz allem klang sie wahr.
Darius klingelte kurz vor fünf. Ich drückte den Türöffner für die Lobby, und kurze Zeit später war er an meiner Wohnungstür angelangt. Als er hereinkam, saß ich auf der Couch. Er bemerkte mein ernstes Gesicht und fragte: »Was ist los?«
»Das könntest
du
mir sagen«, erwiderte ich mit kalter Stimme.
»Wovon redest du? Ist irgendetwas passiert?« Er klang aufrichtig verwirrt.
»Ich wurde auf dem Weg nach Hause von deiner Sängerin angegriffen.«
»Wie bitte? Das ist doch verrückt!«, sagte er.
»Nein, Darius, das ist ganz und gar nicht verrückt. Sie hat versucht, mich zu töten. Und dieses Mal habe ich ihr die Maske vom Kopf gezogen. Sie war es.«
»Das verstehe ich nicht. Das ergibt überhaupt keinen Sinn!«
»Tja, etwas anderes ergibt ebenfalls keinen Sinn. Sie sagte mir, dass du sie geschickt hast, um mich zu töten.« Ich stand auf, ging hinüber zum Fenster und wandte ihm den Rücken zu.
»Was? Natürlich habe ich sie nicht geschickt! Wie kannst du so etwas glauben?« Er trat hinter mich und wollte mich umarmen, doch ich wich ihm aus.
»Ich habe nicht behauptet, dass ich ihr glaube.
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