Traumgespraeche
so tabuisiert und negativ bewertet. Es könnte also für den Vater sinnvoll sein, den Umgang mit seiner Tochter Lilo zu überdenken, mehr Nähe zu wagen, und - weshalb eigentlich nicht? - sich auch mal von ihr auf den Mund küssen zu lassen.
Das neue Baby - Lisa (5 Jahre alt) träumt:
Du hast ein Baby bekommen und ich hab auf das Baby aufgepasst, weil ich die groÃe Schwester bin und du nicht viel Zeit hast.
Wer ist Lisa? Lisa hat zwei ältere Brüder im Alter von 10 und 12 Jahren und einen jüngeren Bruder, Mirco, der 3 Jahre alt ist. Sie hat keine Freundinnen, mit denen sie sich treffen kann, weil die Familie zurückgezogen auf dem Land lebt. In ihrer umsorgenden, fast mütterlichen Art kümmert sich Lisa gerne um ihren Bruder Mirco. Für Mirco ist sie die groÃe Schwester, die alles kann und weiÃ. Die beiden verstehen sich auch sehr gut.
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Was geschah an den Tagen vor dem Traum? Kevin, ein Freund aus dem Kindergarten, hat ein Schwesterchen bekommen. Er hat es Lisa ganz stolz gezeigt, als ihn seine Mama vom Kindergarten abgeholt hat. Lisa erzählte zu Hause auch, dass die Erzieherinnen in letzter Zeit manchmal mit ihr schimpfen. Sie sehen es nicht so gerne, wenn Lisa sich um ihren Bruder Mirco kümmert, der erst seit kurzem in den Kindergarten gekommen ist.
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Lisa und ihre Mutter Susanne sprechen über den Traum:
Susanne: Ich habe also noch ein Baby bekommen und du hast es versorgt? (Klären)
Lisa: Ja!
Susanne: Wie war das für dich - so ganz allein auf ein Baby aufzupassen? (Gefühle erkunden)
Lisa: Das war toll. Ich hab alles gemacht und du hast dich ausgeruht.
Susanne: Du scheinst dich dabei richtig gut gefühlt zu haben, alles alleine zu erledigen. (Spiegeln) Wo hab ich mich denn ausgeruht? (Nach Einzelheiten fragen)
Durch Spiegeln, also das Umformulieren in eigene Worte, zeigen wir Kindern, dass wir ihre Art zu denken und zu fühlen verstehen und akzeptieren.
Lisa: Weià nicht - du warst gar nicht da.
Susanne: So, du hattest das Baby also ganz für dich allein. Was hast du denn genau gemacht mit dem Baby? (Verhalten erfragen)
Lisa: Ich habâs auf dem Arm gehalten und ich hab dem Baby das Tierbuch gezeigt.
Susanne: Und das Baby fand es schön, dass du ihm das Bilderbuch gezeigt hast? (Nach Einzelheiten fragen)
Lisa: Irgendwann hat es angefangen zu weinen, aber ich hab es dann gleich geschaukelt und dann ist es eingeschlafen. Das war sooo süÃ.
Susanne: Das Baby war sicher deshalb so zufrieden, weil du das so toll gemacht hast. Ganz ähnlich wie bei Mirco. Der ist auch immer ganz glücklich, wenn du was mit ihm machst.
Da bin ich richtig stolz auf dich. Das können längst nicht alle Mädchen in deinem Alter. (Stärken benennen)
Susanne: Hättest du denn noch gerne ein Geschwisterchen? (Wünsche benennen)
Lisa: Au ja, bitte Mama, ja, noch ein neues Baby.
Susanne: Du findest es sicher schade, dass du dich im Kindergarten nicht um deinen Bruder kümmern darfst, oder? (Brücken ins Wachleben)
Lisa: Ja, die Frau Lose ist so gemein.
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So denkt Susanne über Lisas Traum: Im ersten Moment war ich fast ein wenig schockiert. Ich dachte: Ich werde doch wohl nicht noch ein Kind bekommen? Wie kommt Lisa denn zu einem solchen Traum? Jetzt
aber nach dem Traumgespräch wird klar: Wahrscheinlich gefällt es ihr einfach, so ein kleines hilfloses Wesen zu versorgen. Natürlich lobe ich sie auch viel, weil sie das mit Mirco schon so gut macht. Warum träumt sie aber dann nicht von ihm, sondern versorgt im Traum ein anderes Baby?
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Vergleich von Wachleben und Traum: Lisa zeigt im Traum und im Wachleben ähnliche Verhaltensweisen : Im Wachleben kümmert sie sich gerne um ihren kleinen Bruder. Im Traum versorgt sie ein Neugeborenes. Hier geht sie also noch einen Schritt weiter und übernimmt die mütterliche Aufgabe, ein Baby alleine zu betreuen, das ganz auf ihre Hilfe angewiesen ist. Im Kindergarten aber wird sie daran gehindert, ihre helfende Seite bei ihrem kleinen Bruder auszuleben. Dort wird diese Aufgabe von anderen übernommen. Achten wir auf Lisas Gefühle im Traum: Lisa ist stolz darauf, alles schon genau so gut zu können wie die Mama. Sie fühlt sich »groë, weil sie ihre Mama wirksam entlasten kann. Es sieht so aus, als würde Lisa ihre soziale Seite im Traum genussvoll ausleben. Die Unterstützung ihres Bruders ist für Lisa eine wichtige Quelle der
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