Traumhafte Tage in Sydney
gewesen. Schuldbewusste Menschen versuchten oft, ihr Handeln auf diese Art zu rechtfertigen. Sie konnte nachvollziehen, dass solche Kritik tief verletzte. Aber Justin musste doch einsehen, dass die Frau ihn nie wirklich geliebt haben konnte. Wenn man jemanden liebte, waren ein paar Pfund Körpergewicht mehr oder weniger nicht von Bedeutung, genauso wenig wie die Tatsache, ob man jede Kamasutra-Stellung beherrschte.
Am liebsten hätte sie Justin gefragt, was Mandy bei ihrer Trennung zu ihm gesagt habe. Aber sie wusste, es war nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht würde Justin es ihr irgendwann erzählen.
Sie wickelte die Decke fester um sich und begann zu frühstücken. Justin sah ihr lächelnd zu. “Es schmeckt dir, stimmt’s?”
Rachel nickte. “Wenn das alles nur halb so gut schmeckt, wie es duftet, muss es einfach himmlisch sein.”
“Dasselbe habe ich gestern den ganzen Tag über dich gedacht”, stellte er fest.
“Ja, ich habe schon beschlossen, mir bald einen besonders großen Flakon von diesem Parfüm zu kaufen.”
Justin stöhnte. “Du bist sadistisch.”
“Das musst gerade du sagen! Jetzt weißt du wenigstens, wie ich mich jeden Tag fühle, wenn ich im Büro darauf warte, dass es endlich fünf Uhr wird. Nur ein Sadist kann sich so eine Regel ausdenken.”
“Für mich war es sicher noch schwerer. Aber ich hoffe, wir haben uns beide etwas besser unter Kontrolle, wenn wir künftig jede Nacht zusammen verbringen.”
“Jede Nacht?”, fragte Rachel überrascht.
“Ist dir das zu viel?”
Nein, natürlich nicht, hätte sie am liebsten gesagt. Doch sie wollte es ihm nicht zu einfach machen. Männer verloren leicht den Respekt vor Frauen, die ihnen zu sehr entgegenkamen.
“Ich fürchte, ja. Wir Frauen brauchen auch Zeit für persönliche Dinge. Und wenn Isabel wieder da ist, möchte ich natürlich auch Zeit mit ihr verbringen. Sie ist schließlich meine beste Freundin. Heute Abend zum Beispiel bin ich bei ihr zum Abendessen eingeladen. Rafe, ihr Mann, hat ein Haus in Paddington. Er ist Fotograf.”
“Ich verstehe.” Justin klang enttäuscht.
“Du kannst gern mitkommen”, bot Rachel an.
Er lächelte strahlend. “Aber wird es Isabel nicht stören, wenn du so kurzfristig noch jemanden mitbringst?”
“Nein, bestimmt nicht. Außerdem will sie sich das Essen sowieso liefern lassen. Aber ich werde sie nachher zur Sicherheit fragen. Deshalb muss ich gleich nach Hause, um ihren Anruf abzuwarten und etwas anderes zum Anziehen zu holen.”
Justin fuhr Rachel nach Hause. Er hatte einen dunkelblauen Wagen. Nicht schick, eher ein Familienauto mit genügend Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder, dachte Rachel. Sie wünschte, sie könnte aufhören, sich solche Gedanken über Justin zu machen. Aber es gelang ihr nicht.
Kurz nach ein Uhr kamen sie bei dem Haus in Turramurra an. Justin begleitete Rachel hinein, und sie landeten wieder im Bett – genau, wie sie vermutet hatte. Als Isabel kurz nach drei Uhr anrief, lagen sie noch immer im Bett.
“Hallo?”
“Rachel, bist du es?”, fragte Isabel.
“Ja. Hör auf damit”, flüsterte sie Justin zu. “Ich möchte mit Isabel sprechen.”
“Läuft der Fernseher, oder redest du mit jemandem?”
“Ich … ich habe mit jemandem gesprochen.”
“Mit wem?” Isabel klang überrascht.
Rachel versetzte Justin einen sanften Tritt. Lachend stand er auf und ging ins Badezimmer.
“Das klang nach einem Mann”, stellte Isabel fest.
“Stimmt.”
“Meine Güte, Rafe! Rachel hat einen Freund!”, rief Isabel ihrem Mann zu. “Wo hast du ihn kennen gelernt? Wie sieht er aus? Warst du schon mit ihm im Bett?”
Rachel musste lächeln. Isabel kam wirklich sofort auf den Punkt. “Ich kenne ihn von der Arbeit. Er sieht fantastisch aus. Und im Bett waren wir auch schon zusammen.”
“Das sind ja tolle Neuigkeiten! Wie alt ist er denn?”
“Anfang dreißig.”
“Und er arbeitet vermutlich bei AWI.”
“Ja.”
“Wie sieht er aus?”
“Groß, dunkelhaarig, sehr attraktiv.”
“Und wie ist er im Bett?”
“Zwischen ihm und Eric liegen Welten.”
“Ist er Single oder geschieden?”
“Geschieden.”
“Schade … na ja, man kann nicht alles haben. Wie heißt der Casanova denn?”, fragte Isabel.
Das würde nicht einfach werden. “Er … er heißt Justin McCarthy.”
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Erleichtert hörte Rachel, wie Justin im Badezimmer die Dusche anstellte. Sie würde also noch eine Weile allein sein
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