Traumjäger (German Edition)
aufmunternd an und wedelte mit dem Bild. „Wollen wir es noch einmal versuchen?“
„Unbedingt!“
Tom hielt mir das Bild ein weiteres Mal unter die Nase. Wieder betrachtete ich es konzentriert, fest entschlossen, es diesmal besser zu machen.
Ich blickte auf die sanft schwingenden Palmwedel, auf das grelle Wasser der Oase. Die Sonne schien so hell, dass sie jegliches Blau aus dem Himmel ausbleichte. Fast weiß schien er und blendete ebenso sehr wie der gelbe Sand. Ich betrachtete die Palmen. Die Spitzen der dunkelgrünen Wedel waren vertrocknet und braun. Wie lange würde es dauern, bis die Sonne auch den Rest der Bäume vertrocknen ließ? Die Sonne… Es war so heiß, so unerträglich heiß…
Bestürzt sah ich, wie das Wasser immer weniger wurde. Es war mittags. Es gab keinen Schatten weit und breit. Die Sonne stand im Zenit, und die Hitze leckte gierig die letzte Feuchtigkeit aus dem Boden. Die Oase führte kaum noch Wasser. Nein, bitte trockne nicht aus! Ohne Wasser bin ich hier verloren! Ich kniete mich neben die klägliche Pfütze, wollte meine ausgedörrte Kehle benetzen...
Derselbe Ruck brachte mich wieder in Toms Zimmer zurück. „Das war schon ein bisschen besser.“, munterte Tom mich auf. „Du hast nicht sofort nachgegeben. Du wirst sehen, es wird dir immer leichter fallen.“
„Kann ich es noch einmal versuchen, bitte?“ Der Ehrgeiz hatte mich gepackt. Ich musste es doch schaffen können, Herr meiner eigenen Träume zu werden!
Tom war sehr geduldig mit mir. Viele, viele Male blickte ich auf die abgebildete Wüstenlandschaft, die er mir stets lächelnd und ruhig unter die Nase hielt. Viele, viele Male holte der ruckartige Windstoß mich zurück zu Tom.
Nach scheinbar endlosen Versuchen, rieb ich mir erschöpft die Augen.
„Einmal noch. Dann reicht es für heute!“, sagte Tom. Ich blickte auf die Wüstenlandschaft. Eine kleine Oase war abgebildet. Ein paar Palmenbäume umsäumten das ruhig daliegende Wasser. Die Sonne schien hell auf den gelben Sand herab. Das war alles. Mehr zeigte das Bild nicht.
Ich schaute auf, und Tom klatschte in die Hände vor Freude. „Du hast es geschafft!“, jubelte er. „Du hast es geschafft!“ Was war ich stolz! Tom reichte mir zur Belohnung die Keksdose und langte selbst auch tüchtig zu. Die erste Lektion hatte ich erfolgreich bestanden.
„Wir sehen uns morgen. Selbe Zeit, selber Ort. In Ordnung, Andy?“, fragte Tom. Ich nickte eifrig. Ich konnte es kaum abwarten! Dieser Unterricht war besser als alles, was ich bislang kannte.
Dann fiel es mir wieder ein. Enttäuscht nagte ich an meiner Unterlippe. „Tom, es geht nicht! Ich fahre morgen in den Urlaub!“
Tom blinzelte mich verschmitzt an. „Urlaub? Wie wunderbar! Dann erhol dich recht gut. Aber was hindert dich daran, um Mitternacht hierher zu kommen?“
Stimmt, wieso hatte ich nicht gleich daran gedacht? – Ich träumte mich schließlich hierher. Und Träume sind unabhängig von Orten. Ich strahlte. „Bis morgen, Tom!“
Kapitel 8
Windgestalten
W ährend der ganzen langen Autofahrt regnete es in Strömen. Die Scheibenwischer kamen nicht zur Ruhe und quietschten leise über die nassen Scheiben.
Meine Eltern unterhielten sich im vorderen Teil des Autos, während ich auf dem Rücksitz saß und mir Bilder anschaute. So sah es zumindest aus, für jemanden, der nicht Bescheid wusste. In Wirklichkeit aber übte ich. Tom hatte mir ein paar seiner lockenden Bilder mitgegeben, damit ich an meinen gestrigen Erfolg anknüpfen konnte und sicherer im Umgang mit fordernden Träumen wurde.
Natürlich nahm ich mir nur die Bilder vor, bei denen ich mir ganz sicher war, dass sie mich nicht in eine gefährliche Situation locken konnten und denen ich mit großer Wahrscheinlichkeit widerstehen konnte. Mit Sicherheit hätten meine Eltern einen ganz schönen Schreck bekommen, wenn ich auf einmal von der Rückbank verschwunden und dann ebenso plötzlich mit einer Blumenkette aus Hawaii um dem Hals aus dem Nichts heraus wieder aufgetaucht wäre. Ich hätte ja gar nicht gewusst, wie ich es ihnen erklären sollte! „Halte es geheim.“ hatte Tom mir eingeschärft. „Viele Leute, besonders Erwachsene, können mit Träumen und Träumern nicht viel anfangen. Ihnen fehlt einfach die Fantasie und damit das Verständnis. Es reicht, wenn wir beide Bescheid wissen. So schützen wir gleichzeitig uns und unsere Träume!“
Tom hatte sicherlich Recht. Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich überhaupt
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