Traumjäger (German Edition)
Handtuch nach dem anderen. Und ganz allmählich wurde es besser.
Das war gut, denn ich fand bald keine trockenen Handtücher mehr! Zum Schluss wurden nur noch meine Haare nass.
Und dann schaffte ich es doch: Es war bereits stockfinster draußen, als es mir gelang, das Bild mit der malerischen, farbenfrohen Unterwasserlandschaft mit kühler, ja, trockener Gelassenheit anzusehen. Ich blieb wirklich komplett trocken!
Beglückt durch meinen Erfolg zog ich meine Sachen wieder an. Gerade noch rechtzeitig, denn schon hörte ich, wie sich die Tür unten öffnete. Meine Eltern hatten ihre Wanderung beendet. Der Regen war wieder heftiger geworden. Es war ein kleiner Trost für mich, dass ich nicht der einzige war, der an diesem Abend pudelnass geworden war.
Kapitel 9
Mitternachtsbesuche
A ls meine Mutter zu mir ins Zimmer kam, lag ich schlafend im Bett. Zumindest sollte sie das denken, und ich bin mir sicher, sie glaubte es auch. Erstaunt betrachtete sie den Stapel nasser Handtücher. Hinter den fest verschlossenen Augenlidern spürte ich ihren fragenden Blick.
„Was hat der Junge nur wieder gemacht? Auf was für verrückte Ideen Kinder kommen!“, wunderte sich meine Mutter. Sie seufzte. „Vielleicht sollten wir ihn nicht so oft alleine lassen. Das tut ihm offensichtlich nicht gut...“ Besorgt strich sie mir über das Haar, dann ging sie leise aus dem Zimmer.
Ich öffnete meine Augen. Wie meinte sie das: Es tat mir nicht gut, wenn ich alleine war? Ich war gern alleine! Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich vergessen hatte, die Handtücher wegzuräumen. Das musste ja merkwürdig aussehen! Noch immer lag der Stapel klamm und feucht auf dem Boden. Nun ja, jetzt hatte es auch noch Zeit bis morgen. Ich hatte keine Lust mehr aufzustehen.
Gerade als ich mich wieder wohlig in die warme Decke kuscheln wollte, sah ich einen leisen Schatten am Fenster vorbeihuschen. Ich hielt erschrocken den Atem an. Den schwarzen Umhang erkannte ich sofort.
Wieso war er hier? Was suchte er hier?
Hastig schlug ich die Decke zurück und kroch unter mein Bett. Mit großen Augen und klopfendem Herzen verfolgte ich, wie der Schatten zurück an das Fenster kam. Ich sah, wie seine Augen das Zimmer prüfend abtasteten.
Hatte ich das Fenster verschlossen? Ja, doch. Ich hatte es nicht vergessen. Wie gut, er konnte nicht herein! Hier drinnen war ich wenigstens sicher. Trotzdem ließ ich das Fenster nicht aus den Augen. Mit Schrecken erinnerte ich mich an die graue Hand, die in dem Schlosszimmer nach mir greifen wollte.
Der Schattenmann wich etwas von der Dachluke zurück.
Er geht, dachte ich erleichtert. Doch gerade als ich schon aufatmen wollte, sah ich mit Grauen, wie er draußen die Arme hob. Sein Umhang wehte im Wind wie die schwarzen Federn einer Krähe. Gleichsam mit der Armbewegung öffnete sich das Fenster wie von Geisterhand. – Ich hatte es ganz sicher fest verschlossen! – Ohnmächtig beobachtete ich, wie der schwarz gekleidete Mann sich behände durch das Fenster schwang und mit einer katzengleichen Bewegung lautlos auf dem Boden landete.
„Es ist das Zimmer. Wir sind richtig.“, zischte er über seine Schulter hinweg. Seine Stimme klang so kalt, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ein zweiter Schattenmensch erschien am Fenster und ließ sich ebenso lautlos in mein Zimmer herab wie sein Gefährte. Auch dieser Mann trug den gleichen schwarzen Umhang und blickte aus den gleichen farblosen Augen wie der, den ich aus meinen Träumen kannte.
„Such das verdammte Ding!“, zischte der eine dem neu hinzugekommenen entgegen. Ich spürte, wie sie mit prüfenden Augen den Raum absuchten. Ich hörte, wie mein Schrank geöffnet und durchwühlt wurde, dann die Schubladen an dem kleinen Tisch.
Ich hörte, wie ein Balken an der Decke verschoben wurde. Ich spürte die kleine Uhr in meiner Hosentasche.
Dann, ich wagte nicht mehr zu atmen, bückte sich einer der Schattenmänner. Ich drängte mich ganz dicht an die Wand unter meinem Bett. Es nützte nichts, gleich würde er mich sehen! Gleich hatte er mich. Gleich –
Die Holzstufen knarrten unter den polternden, schweren Fußschritten meines Vaters, der die Treppe hinaufkam. Die schwarzen Männer erstarrten in ihrer Bewegung, blickten sich kurz an und flohen lautlos aus dem Fenster.
Ich atmete aus. Länger hätte ich die Luft nicht mehr anhalten können. Schnell kroch ich aus meinem Versteck und warf meine herausgezogenen Pullover zurück in den Schrank, als mein Vater seinen Kopf
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