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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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sogar etwas Spaß!“ Verschmitzt lächelte er mich an.
    „Bestimmt!“, sagte ich schnell. „Aber was soll ich lernen?“
    „Du erinnerst dich doch noch an das, was ich dir gestern zu den Träumen gesagt habe?“
    Ich nickte: „Träume sind wunderbar, aber gefährlich.“
    „Sehr gut, du hast aufgepasst!“, freute sich Tom. „Nun, es geht um folgendes: Ich halte es für sehr wichtig, dass du lernst, deine Träume zu kontrollieren, bevor sie dich beherrschen.“
    Ich war so gespannt auf die erste Unterrichtsstunde, dass ich meine ganzen Fragen, die ich hatte, erst einmal zurückstellte. Vielleicht würden sie sich ja von selbst beantworten.
    „Also gut. Nimm Platz!“
    Ich setzte mich auf denselben dunkelblauen Samtsessel wie in der Nacht zuvor und schaute Tom interessiert zu, wie er aus einer Schublade einen Stapel kleiner Bilder hervorkramte. Er mischte sie kurz durch und blickte mich dann ernst an. Ich spürte, dass das, was ich hier lernen würde, wirklich wichtig für mich sein würde.
    „Als erstes musst du lernen, nicht jedem Traum nachzugeben. Es ist nämlich so: Träume wollen geträumt werden, und sie spüren, wer bereit ist, sie aufzunehmen. Wir beide, Andy“, Tom wies auf mich und sich, „wir beide sind Traum jäger . Doch vom Jäger ist es nur ein sehr schmaler Grat bis zum Gejagten. Mein Rat ist: Bleib ein Jäger! – Bist du bereit?“ Ich nickte eifrig, doch mein Mund fühlte sich trocken an. Das Wort Traumjäger hallte in meinen Ohren nach. Ich war ein Traumjäger!
    Tom wählte aus seinem Stapel Bilder und hielt mir eines unter die Nase. Konzentriert betrachtete ich es. Ich erkannte eine Wüstenoase. Klares, frisches Wasser durchbrach den staubigen, gelben Sandboden. Die Wedel großer Palmen spendeten kühlen Schatten…
    Doch ich stand in der prallen Sonne. Die Hitze flimmerte. Es war unerträglich heiß. Der Schweiß rann mir in Strömen über die Stirn. Der Wüstenwind brachte keinerlei Erfrischung. Im Gegenteil, er war noch heißer als der Sand, auf dem ich lief. Meine Füße brannten. Ich war weit gelaufen. Düne um Düne hatte ich überwunden. Mit Mut und mit unbezwingbarem Willen zu überleben. Doch ich hatte Durst, schrecklichen Durst. Wie gut würde es tun, mit dem kühlen Wasser die trockene Kehle anzufeuchten! Da war es doch! Direkt vor mir! Ich musste nur danach greifen. Schon streckte ich meine sandiggelbe Hand aus und wollte sie in das lebensspendende, lebensrettende Nass tauchen…

    Im selben Augenblick durchfuhr mich ein Ruck, ein Windstoß löste mich auf, so wie es in Rom geschehen war. Verblüfft schaute ich um mich. Ich saß wieder in Toms Zimmer. Er sah mich mit ernster Miene an.
    „Verstehst du nun, was ich meine?“, fragte er. „Träume haben es sehr leicht bei dir. Du musst nicht einmal schlafen. Ein Bild genügt, und schon bist du woanders. Lass dich nicht von ihnen einfangen! Lass dich nicht auf sie ein!“
    Erschrocken begriff ich, worauf er hinaus wollte. Der Traum hatte mich in eine Wüste gelockt. In eine heiße Hölle!
    Eine Frage schoss mir blitzschnell durch den Kopf. „Siehst du mich eigentlich, wenn ich träume? Sitze ich noch hier?“ Tom schüttelte ruhig den Kopf. „Nein, du bist dann nicht mehr hier. Gerade eben warst du in diesem Bild – inmitten einer endlosen Sandwüste!“ Er klopfte mir ein wenig gelben Sand vom Ärmel. „Aber keine Sorge, ich kann dich trotzdem sehen und zurückholen, weil ich ein geübtes Auge auch für fremde Träume habe. Ein altes Auge – aber ein geübtes.“
    Allmählich begriff ich die Gefahr, die Träume für mich darstellten:
    Was, wenn die Oase nur eine Fatahmorgana gewesen wäre?
    Was, wenn Tom nicht zur Hilfe gekommen wäre?
    Was, wenn mich nichts und niemand zurückgeholt hätte?
    Plötzlich wurde ich stutzig. „Wenn ich an all diesen Orten bin – wieso ist denn noch niemandem aufgefallen, dass ich verschwinde, wenn ich träume? Schließlich träume ich nicht nur, wenn ich alleine bin...“ Dass ich vorzugsweise in der Schule träumte, behielt ich lieber für mich. Ich wollte keinen schlechten Eindruck auf Tom machen.
    „Das ist eine gute Frage, Andy.“, sagte Tom und rieb sich das Kinn. „Ich selber habe sie mir auch oft genug gestellt. Eine gute Antwort habe ich nicht, aber ich denke, es liegt einfach daran, dass die meisten Menschen mit Scheuklappen durch das Leben gehen. Ja, die meisten Menschen sind einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf andere zu achten. Na komm“, Tom blickte mich

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