Traumjaeger und Goldpfote
herangeschwommen.
›Weil, wenn du mich nämlich verschlingst, niemand mehr da sein wird, um dir die sonnenhelle Bucht zu zeigen, wo mein Volk lebt und sich die ganze Zeit im Wasser tummelt und wo ein großer Fisch wie du essen und essen könnte, ohne je Mangel zu leiden.‹
›Hm‹, sagte der Fisch nachdenklich. ›Und wenn ich dich verschone, wirst du mir dann zeigen, wo die schwimmenden Katzen wohnen?‹
›Natürlich‹, sagte Feuertatze. ›Lass mich indes auf deinen Rücken klettern, dass ich den Weg besser erkennen kann.‹ Sprach’s und kletterte auf den gewaltigen flossenbewehrten Rücken des Fisches, und sie schwammen weiter.
Als sie sich dem anderen Ufer der
Qu’cef
näherten, wollte der Fisch wissen, wo die Bucht der schwimmenden Katzen sei. ›Nur noch ein kleines Stückchen‹, sagte Feuertatze, und sie schwammen weiter, bis sie dicht am Ufer waren. Abermals fragte der Fisch nach der Bucht der schwimmenden Katzen.
›Ein wenig näher noch‹, sagte Fürst Feuertatze. Sie kamen noch näher an das Ufer heran, bis das Wasser plötzlich so flach wurde, dass der große Fisch merkte, dass er nicht weiterschwimmen konnte. Dann erkannte er, dass er zu weit auf Grund geraten war und auch nicht umkehren konnte. Als Feuertatze von seinem Rücken sprang und ans Ufer watete, konnte der Fisch nur noch wütend brüllen.
›Danke für den Ritt, Meister Fisch!‹, sagte Feuertatze. ›Um die Wahrheit zu sagen, schwimmen wir leider dort, wo ich herkomme, sehr wenig, aber wir essen gern! Ich werde einige aus meinem Volk holen, und dann werden wir zurückkommen und dich verspeisen, so wie du es mit uns getan hättest!‹
Und das taten sie. Darum geht seit dieser Zeit keine Katze freiwillig ins Wasser … und wir essen nur solche Fische, die wir fangen können, ohne nass zu werden.«
Die Gefangenen lachten, als Schlitzohr seine Geschichte zu Ende gesungen hatte. Einen Augenblick war es, als ob alle Felsen und Erdschichten zwischen dem Volk und dem Himmel weggeschmolzen wären und sie gemeinsam unter Tiefklars Auge singen würden.
Der Hügel schlief nie. Einem Stock schwirrender Bienen gleich war das Labyrinth von Gängen und Höhlen gedrängt voll von sonderbaren Gestalten und nie gehörten Schreien. Das bleiche Licht der leuchtenden Erde machte die Hauptgänge und großen Höhlen zur Bühne für ein Schattenspiel wimmelnder, huschender Geisterfiguren. Anderswo gab es lichtlose Pfade, schwarz wie die Räume zwischen Welten – doch selbst an diesen dunklen, verlassenen Plätzen bewegten sich unsichtbare Gestalten, wehten heimatlose Winde. Der Hügel war dem Auge der Sonne noch nicht lange ausgesetzt. Kaum ein halbes Dutzend Jahreszeiten war über der Erde vergangen, seit der verderbte Boden des Talgrundes sich zum ersten Mal zu heben begonnen hatte, aufschwellend wie ein Ast, in den Wespen ihre Eier gelegt haben. Der Hügel, wie eine Wunde an der Oberfläche, verbarg die tieferen und größeren Umtriebe im Inneren der Erde: meilenweite Gänge, die sich wie feine Haare in Hülle und Fülle ausdehnten, sich durch das Erdreich verästelten und unter Hügeln, Wäldern und Flüssen in alle Richtungen hinzogen wie ein riesiges Spinnennetz aus Hohlräumen.
In der Mitte dieses Netzes, unter der stumpfen Kuppel von Vastnir, prüfte die grausame, unvorstellbare Spinne die Fäden, ein Leib, massig und unbeweglich, ein Geist, der über die Grenzen seines wachsenden Herrschaftsgebietes hinausstrebte. Grizraz Kaltherz – Spross von Goldauge und Himmeltanz, der Verderbte, seit Anbeginn der Welt unter die Erde verbannt – spürte, dass seine Zeit angebrochen war. Er war eine Macht, und in einer Welt, geschwächt durch den Hingang und das Schwinden derErstgeborenen, war er nun ein Herrscher, mit dem kein anderer sich messen konnte. Er lag im Herzen seines Hügels, und seine Kreaturen vervielfältigten sich um ihn und schwärmten aus. Auch die Tunnel breiteten sich aus, durchlöcherten von unten die Oberfläche der Erde. Bald würde es keinen Fleck mehr geben, der so entlegen war, dass er seinem Griff entging. Und die Nacht gehörte ihm. Seine Kreaturen, hervorgebracht in der Finsternis der Erde, beherrschten auch die Finsternis an der Oberfläche. Wenn die letzten Fäden verknüpft wären, würde er auch die Stunden der Helligkeit beherrschen. Alles, was er brauchte, war Zeit, nur einen Wimpernschlag, verglichen mit den Äonen, die er gewartet und Pläne geschmiedet … und sich verzehrt hatte. Was konnte ihn jetzt
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