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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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noch aufhalten, so dicht vor dem letzten Sonnenuntergang? Seine Familie und die ihm Ebenbürtigen waren spurlos von der Erde verschwunden, lebten nur noch in Mythen und erinnernder Verehrung. Er war eine Macht, und wo war die Macht, die es mit ihm aufnehmen konnte?
    Sein unerbittlicher, kalter Verstand prüfte diese Schlussfolgerungen und fand sie wohlbegründet – aber dennoch blieb ihm ein allerfeinster, höchst unbedeutender Rest von Unbehagen. Kaltherz ließ seinen Geist abermals umherschweifen und suchen und suchen …
     
    Seit Sonnenaufgang war Dachschatten, tief in Gedanken, am Rande des Rattblatt-Waldes auf und ab geschritten. Im Westen, jenseits der weiten Talfläche, lag der Hügel wie im Schlummer.
    Immer wieder, zierlich eine graue, weiche Pfote nach der anderen aufsetzend, beschrieb sie sorgsam einen Kreis. Sie hatte den Kopf gesenkt, als deutete ihr Schreiten auf tiefes Nachsinnen hin oder auf Entschlüsse, die sofort zu fassen waren, jedoch hatte sie in Wahrheit ihre Wahl bereits getroffen.
    Die Sonne, welche die kalte Luft Funken sprühen ließ und sich in diamantenen Strahlen im schneeigen Grund brach, hatteden Zenit überschritten und begonnen, winterlich rasch zu sinken, als die graue
Fela
ihren Marsch unterbrach und eines ihrer Ohren auf die Erde richtete. Lange Sekunden stand sie reglos – als hätte der Wind aus den Bergen sie dort, wo sie stand, mit Fell und Gebein vor Frost erstarren lassen. Darauf neigte sie leicht den Kopf, senkte ihre schnüffelnde Nase herab, sog die Luft ein, legte plötzlich wieder ihr Ohr um. Scheinbar zufrieden streckte sie ihre Pfote aus, tippte leicht auf den verkrusteten Schnee und begann dann die kalte, weiße Haut der schlafenden Erde wegzukratzen. Nachdem sie die lockere Schale durchstoßen hatte, legte sie ihr Körpergewicht auf die Hinterbeine und begann zielstrebig zu graben. Das Erdreich war halb gefroren, und ihre Pfoten schmerzten, doch sie setzte ihre emsige Arbeit fort, dass Erde und Steine unter ihrem Schwanz hindurch nach hinten flogen.
    Die Zeit verging, und Dachschatten begann zu fürchten, sie könne falsch gewittert haben. Der Grund war hart verkrustet und fest. Doch dann stieß plötzlich eine grabende Pfote durch den Boden des Loches hindurch ins Leere.
    Warme, stinkende Luft strömte durch die Öffnung, und sie fuhr überrascht zurück. Trotzdem, das war’s, was sie gesucht hatte. Sie setzte grimmig entschlossen ihre Arbeit fort. Nachdem sie kurze Zeit weitergekratzt hatte, konnte sie Kopf und Barthaare durch die Öffnung zwängen. Als sie ihre Vorderpfoten hindurchschob, geriet sie sekundenlang in Panik, denn hilflos zappelnd hing sie im Leeren. Die unbekannte Schwärze unter ihr wurde ein bodenloser Abgrund. Ihr Gewicht zog ihre Hinterbeine am bröckelnden Rand des Loches vorbei. Ihr Fall war nur kurz, dann landete sie weich auf dem Lehmboden eines Tunnels.
    Sie warf einen kurzen Blick zurück auf das Loch über ihr, das vom Licht der untergehenden Sonne erleuchtet war. Es schien jetzt ein sehr kleines Loch zu sein, obgleich es nicht sehr weit vonihr entfernt war. Es war nicht weit entfernt, aber es lag hinter ihr wie etwas Endgültiges. Den Kopf gesenkt, die grünen Augen weit geöffnet, um jede Spur von Licht aufzunehmen, die es in dieser dunkeln, unfreundlichen Welt gab, drang Dachschatten auf leisen Pfoten in die unterirdische Welt vor.

23. KAPITEL
    Den Tod fürchten – den Rauch zu spüren
    In meiner Kehle, den Nebel vor dem Gesicht?
     
    Robert Browning
     
    D er Trupp abgerissener Katzen schlurfte humpelnd durch eines der riesigen gewölbten Steingemächer zur Arbeit in den Gängen. Traumjäger hielt in dem wogenden Meer hoffnungsloser Katzen nach Greiftatz Ausschau. Er entdeckte die kleine, drahtige Katze am Ende der Marschkolonne und verlangsamte seinen ohnehin gemächlichen Schritt, bis Greiftatz ihn eingeholt hatte.
    »Hallo Traumjäger!«, sagte Greiftatz, von dessen früherer Munterkeit nur noch ein schwacher Hauch geblieben war. »Du siehst ein bisschen kräftiger aus. Wie geht es deiner Schulter?«
    »Besser, denke ich«, sagte Fritti, »aber ich zweifle, ob sie jemals richtig heilen wird.« Er hob seine Vorderpfote und schüttelte sie versuchsweise.
    »Höre«, sagte Greiftatz mit einem verschwörerischen Unterton, »ich habe Nachricht von diesem Burschen in den oberen Katakomben. Er lässt sagen, dass er deine Freunde nicht gesehen hat. Aber er wird weiter die Augen offen halten.« Greiftatz verzog sein Gesicht zu einem

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