Traumjaeger und Goldpfote
überkrustetenund das Haar zu Wirbeln und Knäueln verzwirbelten. Stöckchen und Blätter, Stücke von Baumflechten und immergrüne Nadeln, alle Arten sonderbarer Teilchen überzogen vom Kopf bis zur Schwanzspitze ihren Pelz. Sie hatte hängende Schnurrhaare, und ihre Augen blickten traurig und verwirrt.
»Wer bist du, Jagdbruder?«, fragte Fritti vorsichtig. »Suchst du uns?« Raschkralle hielt sich dicht an Traumjägers Seite.
»Was fragst du? … Uh … uh … der
Ruhu
…«, sang die fremde Katze feierlich und begann dann wieder auf ihrer Unterlippe zu kauen. Die Stimme war tief und männlich.
Fritti versuchte es noch einmal. »Wie ist dein Name?«
»Lirum larum … Höhle und Hölle … wieso?« Der fremde Kater blickte geistesabwesend in Frittis Augen. »Grillenfänger bin ich, ich bin … so dahin, wie ich bin … schaut nur hin …«
»Er ist verrückt, Traumjäger!«, piepste Raschkralle nervös. »Er hat die Tröpfelmaul-Krankheit, da bin ich sicher!«
Fritti machte ihm ein Zeichen zu schweigen. »Du wirst Grillenfänger genannt? Das ist dein Name?«
»Derselbe, derselbe. Grasschlinger und Steinbeißer … Dideldum, dideldum, di … o nein!« Grillenfänger wirbelte herum, als schleiche sich von hinten jemand an. »Verschwinde!«, schrie er in die leere Luft. »Kein Wackeltanz mehr in der Ferne, du schleichliche, heimliche Zischelmaus!« Mit einem wilden Ausdruck in den Augen wandte er sich wieder den beiden Katzen zu, doch als sie ihn anstarrten, schien er sich zu verändern. An die Stelle der Verrücktheit trat Verlegenheit.
»Ach, der alte Grillenfänger ist manchmal ein bisschen durcheinander, ist er«, sagte er und scharrte mit seiner schmutzigen Pfote in der Erde. »Aber er meint es nicht böse – nie, ihr müsst wissen …«
Raschkralle wisperte aufgeregt: »Er ist wirklich verrückt! Siehst du’s nicht? Wir müssen verschwinden!«
Auch Traumjäger war ein wenig nervös, jedoch der alte Kater hatte etwas an sich, das ihn rührte.
»Was können wir für dich tun, Grillenfänger?«, fragte er.
Raschkralle starrte ihn an, als sei auch Fritti gänzlich verrückt geworden.
»Da seid ihr also«, sagte der Fremde. »Da seid ihr. Da sollt ihr sein. Der alte Grillenfänger war einsam und wollte sich ein bisschen unterhalten. Die Welt ist so groß, aber es gibt nur ein paar Wenige, Wertvolle, mit denen man sprechen kann.«
Der alte Kater kratzte sich abwesend hinter dem Ohr und entfernte eine kleine Samenschote, die auf die Erde fiel. Grillenfänger beugte den Kopf und beschnüffelte sie eifrig, um sie im nächsten Augenblick wütend mit seiner Pfote wegzuschleudern, so dass sie fortrollte.
»Das ist eure Welt, nicht wahr? Das ist eure Welt«, murmelte er, dann schien er sich zu erinnern, dass er nicht allein war.
»Verzeihung, junge Herren«, sagte er. »Ich wandere ein wenig umher, von Zeit zu Zeit. Darf ich ein Stück Wegs mit euch wandern? Ich kenne ein paar Geschichten und ein oder zwei Spiele. Ich war ein Jäger, als die Welt jung war, und ich mache noch immer ganz hübsche Beute!« Er blickte Traumjäger hoffnungsvoll an.
Traumjäger wollte wirklich keinen weiteren Gefährten, doch dieser struppige alte Kater tat ihm leid.
Er achtete nicht auf Raschkralle, der wie wild Zeichen machte, dem Alten die Bitte abzuschlagen, und sagte: »Gewiss. Es wäre eine Ehre für uns, wenn du uns eine Weile begleitest, Grillenfänger.«
Die schmutzbespritzte alte Katze sprang hoch und vollführte einen verrückten Luftsprung, dass selbst Raschkralle lachen musste.
»Bei meiner Pfote, das ist ein Wort!«, schrie Grillenfänger, dann verstummte er und schaute sich rasch um. Er beugte sichzu seinen Gefährten hinüber. »Lasst uns aufbrechen!«, fügte er hinzu, und seine Stimme war ein verschwörerisches Geflüster.
Grillenfänger war kein übler Reisegefährte. Seine gelegentlichen Ausbrüche erwiesen sich in keiner Weise als gefährlich, und nach einer Weile fand sich sogar Raschkralle ohne allzu große Besorgnis mit ihm ab. Während des ganzen Abends unterhielt er sie pausenlos mit einer Fülle von Gesängen und sonderbaren Versen. Als Fritti – der ein wenig Ruhe wünschte – ihn bat, sich etwas zu zügeln, wurde er stumm wie ein Fisch. Als sie zur Stunde des Letzten Tanzes Rast machten, sprach Grillenfänger noch immer kein Wort.
Fritti fühlte sich unwohl, dass der Alte seine Ermahnung so ernst genommen hatte – er hatte nicht die Absicht gehabt, ihn
gänzlich
zum Verstummen zu bringen.
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