Traumjaeger und Goldpfote
jenen Tagen so«, sagte Grillenfänger, »dass Hunde noch nicht solche sabbersüchtigen Tröpfe waren, die die
M’an
abschleckten, wie sie es heute sind, sondern das Volk hattesie
immer
erheiternd gefunden – außer im direkten Kampf, müsst ihr wissen. Als also Rotbein die Parade ängstlicher Hunde sah, die sich den Torbogen hinaufquälten, nur um einen Augenblick später angstgeduckt und erfolglos wieder herunterzukommen, musste er lachen.
Als sie das Gelächter hörte, drehte die riesige Bulldogge sich wütend um und knurrte aus tiefer Kehle: ›Wer bist du, dass du so zu lachen wagst, Katze?‹
Rotbein zügelte seine Heiterkeit und sagte: ›Ich bin Rotbein aus dem Hause Harar.‹
Die Bulldogge blickte ihn an. ›Ich bin Rauro Beißzuerst, der König der Hunde. Es ist weder angemessen noch höflich, mich derart zu verspotten!‹ Mit diesen Worten blies der Hundekönig so wichtigtuerisch seine Brust auf und wälzte die Augen heraus, dass Rotbein um ein Haar wieder lachen musste.
›Wie lange habt ihr an eurem Tor gebaut, o König?‹, fragte er.
›Volle drei Jahre‹, erwiderte Beißzuerst, ›und wir benötigen nur noch einen Knochen, um es zu vollenden.‹
›Das sehe ich wohl‹, sagte Rotbein, und plötzlich überkam ihn die Lust, dem König der Hunde, diesem aufgeblasenen Popanz, einen Streich zu spielen. ›Euer Majestät, wenn ich Euer Tor für Euch vollenden kann, gewährt Ihr mir dann eine Gunst?‹
›Und welche wäre das?‹, fragte der König argwöhnisch.
›Wenn ich diese Aufgabe erfüllen kann, hätte ich gern einen Knochen für mich selbst.‹
Der König, der an die Tausende von Knochen dachte, die er im Überfluss besaß, kläffte vor Entzücken darüber, dass er so billig davonkam, und sagte: ›Du sollst jeden Knochen in meinem Königreich haben, den du begehrst, wenn du mir nur hilfst.‹
Damit war Rotbein einverstanden, und er nahm den letzten Knochen des Tores in sein Maul und kletterte vorsichtig und geschickt auf den schwankenden Bogen aus Knochen. Als er oben angekommen war, setzte er das letzte Stück behutsam zwischendie Spitzen der zwei geneigten Türme, wo es hineinpasste wie die letzte Schuppe, die Urmutter den Eidechsen ansetzte. Dann stieg er wieder herab, und alle Heuler bellten und kreischten vor Vergnügen, ihr Werk vollendet und ihr mächtiges Tor fertig dastehen zu sehen. Während alle mit wackelnden Ohren und vor Jubel triefenden Zungen hinaufstarrten, ging Rotbein zum Fuß eines der beiden Tortürme. Mit übertriebener Sorgfalt suchte er eine Weile, dann beugte er sich vor und zog einen der Knochen, der darin aufgeschichtet war, heraus. Wenige atemberaubende Herzschläge lang geschah nichts – dann, schaukelnd, schlingernd, schwankend, neigte sich das Tor ein wenig nach vorn, ein wenig nach hinten … und dann brach es mit einem Krach zusammen, der Tote hätte tanzen lassen.
Als sich König Beißzuerst, vor Schreck und Entsetzen entgeistert, nach Rotbein umdrehte, sagte der Prinz bloß: ›Du siehst, ich habe mir meinen Knochen genommen, wie es vereinbart war.‹ Und er begann zu lachen.
Von Rotbein wanderte der Blick des Königs zu seinem zertrümmerten Tor, und seine Augen wurden rot vor Wut. ›F … f … fangt diese verf … fl … fluchte K … Ka … Katze! T … t … tötet sie!‹
Und alle Heuler von Barbarbar sprangen zugleich los und flitzten hinter Rotbein her. Der jedoch war zu schnell für sie und entfloh.
Während er rannte, rief er über die Schulter zurück: ›Denk an mich, König, wenn du nächstes Mal voller Stolz auf deinem Thron stinkender Gebeine sitzt und an einem Hüftknochen nagst!‹
So kam es, dass seit jenen Tagen Katzen und Hunde Feinde sind, wo immer auf diesen Feldern sie sich begegnen. Sie haben uns nie verziehen, dass wir ihren König gedemütigt haben, und geschworen, es nie zu tun – bis die Sonne vom Himmel fällt und Schlangen imstande sind, mit der Morgenbrise zu fliegen.«
Als Grillenfänger sein Lied beendete, war Raschkralle schon eingeschlafen und murrte leise vor sich hin. Fritti spürte, wie das sonderbare Gefühl des scharfen Sehens von ihm wich. Er wollte den schmutzigen Fremden fragen, aber Grillenfänger war halb im Schlaf, starrte ihn geistesabwesend an und würde ihm nicht antworten. Schließlich überließ sich auch Traumjäger der Lockung des Schlafs und trieb hinüber in das Reich der Träume.
Die Morgensonne stand schon hoch am Himmel, als Traumjäger durch den knetenden Druck auf Brust und
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