Traumjaeger und Goldpfote
grapschte mein Bein! Hier, schau dir die Kratzer an!« Raschkralle zeigte seine Wunden. »Du wirst es gewiss nicht glauben, Traumjäger, aber das Ding, das mich verwundete, was immer es war … es hatte
rote Krallen!
«
»Nun, du hast gesagt, dass irgendein Ding die Vögel tötete, die du sahst. Es war vermutlich Blut.«
»Nachdem es mich eine halbe Stunde durch Dreck und Beerengestrüpp gehetzt hatte? Die Krallen wären sauber gewesen. Außerdem war es kein getrocknetes Blut. Dieses Blut war knallrot.«
Verwirrt bedeutete Fritti der jungen Katze, fortzufahren. »Natürlich schrie ich wie ein Eichelhäher, und es gelang mir irgendwie, mich freizumachen. Ich verzog mich in ein dichtes Gestrüpp, so tief ich konnte, und hoffte, sie seien zu groß, um mir dorthin zu folgen. Ich konnte nicht mehr weiterrennen. Siemachten kein Geräusch, doch ich fühlte, dass sie noch immer da waren. Dann witterte ich einen Fuchs, und mit einem Mal waren sie verschwunden. Ich stolperte aus dem Gestrüpp und fand den Fuchsbau. Ich meinte, wenn ich in den Bau schlüpfte, mich drinnen besser verteidigen zu können, falls sie zurückkämen. Dann kam der
Visl
. Ich schätze, den Rest kennst du.«
Fritti beugte sich vor und gab dem Jungen einen Nasenrubbler auf die Stirn. »Du warst sehr tapfer, Raschkralle. Sehr tapfer. Also hast du das Wesen nie gesehen, das dich hetzte?«
»Seinen Körper nicht, nein. Jedoch diese Augen werde ich nie vergessen. Und diese roten Krallen! Puh!« Raschkralle schüttelte sich von Nase bis Schwanz. Dann wandte er sich Traumjäger zu, jetzt von der Furcht befreit. »Das ganze Geschwätz über
Flafa’az
hat mich hungrig gemacht. Sagte ich schon, dass ich hungrig bin?«
»Ich glaube, ja«, lachte Traumjäger.
Während des Nachmittags rasteten sie, und zur Zeit des Zwielichts brachen sie wieder auf.
Traumjäger hatte einige Befürchtungen, da er nun den jungen Raschkralle in seiner Obhut hatte, doch er gelangte zu der Überzeugung, dass er in Wirklichkeit gar keine andere Wahl hatte. Er konnte die kleine Katze nicht fortschicken – zurück durch die gefährlichen Wälder –, und er selbst konnte seine Suche nach Goldpfote nicht aufgeben.
Sie kamen ziemlich gut voran. Raschkralle liebte es, ein wenig vorauszueilen, dann fiel er wieder zurück – gefesselt von einem Schmetterling oder einem glänzenden Stein. Es schien sich auszugleichen, mehr oder weniger, und sie kamen stetig vorwärts. Raschkralle gelang es sogar, sein Quieken ein wenig im Zaum zu halten, so dass es mit dem Jagen besser ging.
Mehrere Tage vergingen. Allmählich gewöhnten sie sich an den regelmäßigen Wechsel von Marschieren und Schlafen. Sie machten einen langen Schlaf gegen Mittag, wenn die Sonne hoch stand, und einen zweiten zur Stunde des Letzten Tanzes, der bis zum Sonnenaufgang dauerte. Sie jagten während des Marsches, fingen den seltsamen Käfer oder kleinen Vogel, der sich im Gebüsch versteckte, und erlegten größere Beute nur in der Zeit vor der Rast in der Stunde der Kleineren Schatten.
Eines Nachmittags fing Raschkralle ganz allein einen Quieker. Es war eine junge Maus, und obendrein noch eine einfältige, doch Raschkralle fing sie ohne Hilfe und war mit Recht stolz. Darüber hinaus gelangte Fritti zu der Überzeugung, dass eine dumme Maus ebenso gut schmeckte wie eine schlaue.
Ihre Gemeinschaft machte die Langeweile der Reise für beide Katzen erträglicher, und die Tage flogen rasch dahin. Wenn Raschkralles unaufhörliches Hüpfen und Springen Fritti auch gelegentlich dazu brachte, zu fauchen und Kopfnüsse zu verteilen, war er doch sehr froh, die kleine Katze zur Gesellschaft zu haben. Was Raschkralle anlangte, war er entzückt, mit einer bewunderten älteren Katze auf Abenteuer zu ziehen. Der Schatten seiner ersten Nacht in der Wildnis schien verschwunden zu sein, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Im Lauf ihrer Wanderung schien sich der Wald ringsum zu verändern – erst noch dicht verschlungen, erstickend wie ein grünes Dickicht, dann offen und luftig wie im Grenzwäldchen. Schließlich, am Ende ihres fünften Tages in den Wäldern, begannen die Bäume nach und nach kleiner zu werden, und der Wald wurde licht.
Oben auf einem herausragenden Felsen, der über den Baumwipfeln stand wie eine
Fela
über ihren Jungen, beobachteten Traumjäger und Raschkralle, wie die Sonne ihres sechsten Tages aufging. Der Wald zu ihren Pfoten erstreckte sich noch über eineoder zwei Meilen, wurde stetig spärlicher und
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