Traumjaeger und Goldpfote
pudertrockenen Erde zurückprallten. Das tappende Geräusch der Tropfen auf den breiten Blättern über seinem Kopf lullte ihn ein. Er fühlte, wie seine Augenlider schwer wurden. Ein Kitzeln in den Enden seiner Schnurrhaare sagte ihm, dass jemand da war, und er blickte auf. Neben ihm saß Schimmerauge, Regenspuren auf seinem schneeigen Fell.
»Die ersten Regen des Jahres bringen viele starke, dunkle Gefühle zum Vorschein, nicht wahr?« Schimmerauges hohe Stimme war von trügerischer Unbekümmertheit.
»Tut mir leid. Ich verstehe nicht. Was für Gefühle?«
»Innere Bilder. Traumgespinste. Wiedergefundene Dinge. Reste von Wegmarken. Ich finde, dass die ersten Regen … ja nun, wie ich schon sagte.«
Schimmerauges Gegenwart und sein sonderbares Gerede machten Traumjäger nervös. »Ich fürchte, ich weiß nicht viel über solche Dinge, Schimmerauge.«
Der
Oel-var’iz
sah Fritti belustigt an. »Wie du willst«, sagte er, »wie du willst.« Er schritt davon, als trüge er einen geheimen Scherz, der auf der Spitze seines langen Schwanzes hin- und herwippte.
Von der anderen Seite der Lichtung beobachtete Zitterkralle, wie der Weitspürer von Fritti fortging. Er erhob und streckte sich und schlenderte dann gemächlich herüber, wobei er über einen schlummernden Hängebauch wegschritt. Als Traumjäger ihm entgegensah, war er einmal mehr von der gezügelten Kraft der schwarzen Katze beeindruckt.
»Du siehst verwirrt aus, junger Traumjäger. Hat Schimmerauge dir eine unangenehme Zukunft vorausgesagt?« Der Lehnsmann ließ sich neben Fritti auf der Erde nieder.
»Nein. Nein, er war gerade gesprächig, glaube ich, aber ich habe nicht ganz mitbekommen, was er sagte. Ich hoffe, ich habe ihn nicht gekränkt.«
»Darüber würde ich mir nicht zu viele Sorgen machen. Die Weitspürer sind eine sonderbare Brut, musst du wissen. Schimmernd und flink wie eine schlüpfrige Eidechse, aber ein bisschen schwermütig und kauzig. Sie sind eben so aufgezogen worden, weißt du. Während wir anderen lernen, Quieker zu fangen, wird den
Oel-var’iz
beigebracht, das Wetter aus Schneckenspuren zu lesen, Salamander aus dem Schlamm zu singen und Ähnliches. Sagt man. Jedenfalls sind sie alle ein wenig verrückt – und Schimmerauge ist, alles in allem, nicht der Schlechteste.«
Fritti spürte, dass der Lehnsmann ihm zu Gefallen alles ein wenig ins Lächerliche zog, hatte aber gleichwohl seine Freude an der drolligen Art des Erst-Gehers.
»Dies nur nebenbei«, fuhr Zitterkralle fort. »Eigentlich wollte ich von dir genau erfahren, welches Ziel ihr habt, du und dein kleiner Freund. Wir wären glücklich, wenn wir euch begleiten könnten, falls wir denselben Weg haben.«
»Tatsächlich habe ich vorhin darüber nachgedacht«, erwiderte Fritti, sich träge streckend. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne, da ihm plötzlich bewusst wurde, dass sich eine solche Fläzerei in Gegenwart des Lehnsmanns nicht schickte. »Ich denke, ich werde mich ziemlich bald entscheiden müssen«, schloss er leise.
Zitterkralle schien Frittis Verlegenheit nicht zu bemerken. »Bedauerlicherweise können wir euch zum Treffen der Lehnsmänner nicht mitnehmen. Du wirst verstehen, dass man dort gegen Außenseiter starke Vorbehalte hat.«
Traumjäger saß schweigend da. Die Aufgabe, Goldpfote zu finden, türmte sich wieder vor ihm auf. Wie schwierig es war, Verantwortung zu tragen! Er vermisste die schlichten Freuden der früheren Zeit. Wie sollte er sie nur finden? Jeder Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, erwies sich bei näherer Prüfung als sinnlos.
»Ich nehme an«, fragte er schließlich den Lehnsmann, »dass Raschkralle dir erzählt hat, aus welchem Grund wir in diesen Wäldern unterwegs sind?«
»Das hat er, junger Jäger. Und was ihr tut, ist mutig und anständig. Ich wünschte, ich könnte dir ein paar kluge Worte sagen, wo du deine
Fela
finden kannst, aber, ach, die Welt ist groß. Sie ist freilich nicht die Erste, die das Opfer geheimnisvoller Vorfälle geworden ist, doch mehr kann ich nicht sagen. Ich bin verpflichtet, bis zum Treffen der Lehnsmänner Schweigen zu bewahren.« Der alte Kater hob sein Bein und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr.
»Auch ich habe viele merkwürdige Geschichten gehört«, pflichtete Traumjäger ihm bei. »Tatsächlich hat mein Stamm eine Abordnung an den Hof von Harar geschickt, um in dieser Lage um Hilfe nachzusuchen. Ich denke, ich sollte nach Harar gehen, sie dort treffen und hören, was sie erfahren
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