Traumjaeger und Goldpfote
stillstehen und zu Stein erstarren ließ. Ein zweiter Schrei von der anderen Seite, nicht weniger entsetzlich, jedoch ein wenig weiter weg, schnürte den beiden Katzen die Kehlen zu.
Umzingelt! Dieser grässliche Gedanke kam beiden zur selben Zeit.
Vom Ort des ersten Geheuls erscholl ein sonderbares puffendes Geräusch, und dann kam durch die hohen Gräser krachend etwas auf sie zu.
Fritti wurde jäh aus seiner starren Betäubung gerissen und stieß Raschkralle so heftig mit seinem Kopf, dass der Kleine fast umgefallen wäre.
»Lauf, Raschkralle, so schnell du kannst!«, kreischte Fritti und versuchte seine Stimme zu dämpfen. Raschkralle gewann sein Gleichgewicht wieder, und die zwei schossen so rasch vorwärts wie zwei Schlangen, die unter einem umgedrehten Stein entdeckt werden. Von der anderen Seite konnten sie jetzt Raschelnund Knacken von Strauchwerk hören. Sie rannten, was die Pfoten hergaben, mit lang ausgestreckten Schwänzen dahin, und sie hörten, dass sie verfolgt wurden. »Oh oh, es sind dieselben, die roten Krallen!«, stöhnte Raschkralle.
»Windweiß zuliebe, spare deinen Atem und lauf!«, keuchte Traumjäger. Hinter ihnen stieg ein gurgelnder widerhallender Schrei in den Sturmwind auf.
Und sie rannten und rannten, Regen und Finsternis schlossen sie ein, Wind blies ihnen entgegen. Zum Glück war der Untergrund eben, und es gab weder Bäume noch Felsen – sie hätten nicht sehen können, wohin sie liefen, selbst wenn sie die Geistesgegenwart gehabt hätten, darauf zu achten. Sie begannen rasch müde zu werden.
Endlich, als es ihnen vorkam, als seien sie eine Ewigkeit gerannt, begann das Geräusch der Verfolgung schwächer zu werden und verschwand ganz. Immer noch stolperten sie vorwärts, so lange sie konnten, bis sie schließlich das Gefühl hatten, ihre Beine würden sie nicht einen Sprung weiter tragen.
Sie fielen in ein langsames Stolpern, lauschten angestrengt und versuchten über das Schlagen ihrer Herzen und ihren keuchenden Atem hinweg ein Zeichen ihrer Verfolger zu hören. In diesem Augenblick trat vor ihnen aus dem Dickicht eine riesige Gestalt hervor.
»Nun haben wir euch!«, sagte sie. Mit einem Schrei der Verzweiflung begannen die zwei Katzen zu taumeln und fielen vor die Füße des großen, dunklen Wesens.
Fritti gewann mühsam sein Wahrnehmungsvermögen zurück. Er war müde, und ihm war übel. Ihm kam es vor, als hüpfe die Welt, die ihn umgab, ständig auf und ab. Verwirrt begann er sich zu fragen, wo er war und was geschehen sein mochte.
Dann erinnerte er sich an die Hetzjagd und an die riesenhaft aufragende Gestalt.
Fritti versuchte sich auf seine Tatzen zu drehen, doch ihm wurde klar, dass er festgehalten wurde. Er fühlte einen kräftigen Griff in seinem Genick, und unter seinen Pfoten spürte er nichts. Verblüfft öffnete er die Augen und spähte umher.
An seiner Seite baumelte Raschkralle, ebenfalls am Genick gepackt, bewusstlos zwischen den Kiefern der größten Katze, die Traumjäger jemals gesehen hatte. Der ungeheure grau-grün und schwarz gestreifte Kater warf Fritti einen unbestimmten Blick zu. Er schritt, Raschkralle tragend, neben Fritti, doch dessen Pfoten spürten nichts als Luft …
Langsam drehte Traumjäger seinen Kopf herum. Er konnte das Gesicht seines Wächters nicht erkennen, doch er sah die astdicken Beine der Katze weit ausgreifend über den Boden schreiten. Von panischer Angst gepackt, warf Fritti, sich windend, seinen Kopf zurück, und dann wurde ihm abermals dunkel vor Augen. Ein wenig später, als Traumjäger wiederum erwacht war, unternahm er keine neuen Versuche mehr, sich zu befreien.
Schließlich machten die anscheinend unermüdlichen Tiere halt. Fritti wurde ohne weitere Umstände auf die Erde geworfen, und neben sich hörte er das Geräusch, mit dem Raschkralle wie ein toter Quieker zu Boden plumpste. Eine Stimme sprach, die sich des Gemeinsamen Gesanges bediente, und Traumjäger kniff seine Augen fest zusammen.
»Dies kann gewisslich nicht das sein, wonach wir gesucht haben, oder?«, sagte die Stimme, in deren Tonfall das Missfallen unüberhörbar war. Die Furcht überwog die Neugier. Fritti hielt seine Augen geschlossen und blieb mit dem Gesicht nach unten zusammengekrümmt im Gras liegen.
Die Katze, die ihn getragen hatte, sprach als Nächste.
»Sie sahen ihnen ähnlich, Herr«, sagte sie langsam und tief. »Einen Augenblick waren sie hier – und im nächsten waren sie es nicht. Höchst merkwürdig.«
»Merkwürdig – da
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