Traumjaeger und Goldpfote
bekannt, dass ein Übermaß an Blättern und Wurzeln der Katzenminze das Herz erschreckt und zum Rasen bringt, doch er ist jung und kräftig. Was es jedoch für die Seele bedeutet, ist eine schwierige Frage. Eine kleine Menge macht einen leichter, so dass man fröhlich wird und zu singen beginnt. Eine größere Menge wirft dich um und plagt dich mit sonderbaren Träumen. Was bei einer Menge geschieht, wie dein Freund sie genommen hat … Harar, ich weiß es nicht. Wir müssen Geduld haben.«
»Oh, armer Traumjäger!«, schluchzte Raschkralle. »Was soll ich tun, was soll ich bloß tun?«
»Ich werde mit dir warten«, sagte Dachschatten ruhig. »Das ist alles, was wir tun können.«
Fritti Traumjäger fiel und trieb in eine unendliche Dunkelheit hinab. Der Wald, der ringsum gebebt, sich gebogen und gebauscht hatte, war verschwunden … alles war verschwunden … und er fiel durch eine Leere.
Während er fiel, verlor die Zeit jede Bedeutung, er spürte weder Wind noch vorbeistreichende Luft, die ihm hätten zeigen können, wie rasch er fiel. Trotz eines Übelkeit erregenden Gefühls von Bewegung in seinem Inneren hätte er ebenso gut stillstehen können.
Nach einer unbestimmten Zeitspanne sah er – vielmehr spürte er zuerst – ein schwaches Leuchten. Es wurde ein Flackern, das sich allmählich in einen Fleck kalten, weißen Lichtes verwandelte. In der Mitte dieses Lichtflecks erblickte er zu seinem Erstauneneine Gestalt – und als er allmählich näher kam, erkannte er, dass es eine große, weiße Katze war … eine schwanzlose Katze, die sich langsam in einer riesengroßen schwarzen Kugel drehte.
Sie kam näher, und der Glanz flammte heller auf. Die Augen der Geisterkatze starrten in seine Richtung, doch diese Augen waren blicklos – blind.
Die weiße Katze sprach mit einer kalten, flüsternden Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien. »Wer ist dort?«, rief sie. »Wer kommt?« Die kalte Stimme hatte einen kummervollen Unterton, der Fritti ins Herz drang. Er versuchte zu sprechen, doch trotz großer Anstrengung vermochte er es nicht. Während er nach Worten rang, spürte Fritti eine plötzliche Hitze auf seiner Stirn, als habe sich die sternförmige Zeichnung in einen wirklichen Stern verwandelt … als habe er Feuer gefangen. Sich stumm drehend kam die weiße Erscheinung näher und sprach erneut.
»Warte. Ich glaube, jetzt erkenne ich dich. Ach, kleiner Geist, du bist weit fort von deinem Nest. Du solltest noch an den Brüsten der Urmutter saugen, in den Himmeln über den glückseligen Feldern tanzen. Du wirst es bitter bereuen, dass du dich in diese wärmelosen Schatten verirrt hast.« Traumjäger spürte Schrecken und Verlorenheit. Er konnte weder sprechen noch sich rühren, sondern nur lauschen. »Lange bin ich in diesen schwarzen Räumen umhergeirrt, doch ich finde nirgendwo eine Öffnung, durch die ich hinausschlüpfen könnte«, sprach die schwanzlose Katze mit hohler, ausdrucksloser Stimme. »Lange habe ich versucht, den Weg zurück zum Licht zu finden. Manchmal kann ich Gesang hören …«, sagte sie nüchtern, doch wehmütig. »Immer ist die Tür zum Greifen nahe, hinter der nächsten Ecke … irgendetwas hält mich von ihr fern. Warum kann ich nicht in jene Ruhe eingehen, in die stille Ruhe, die verheißen ist?«
Trotz seiner Furcht spürte Fritti, wie angesichts des furchtbarenElends der weißen Katze eine Welle von Mitleid in seiner Seele aufstieg.
»Kleiner Stern, ich spüre, dass du etwas Sonderbares an dir hast. Was ist es?«, erklang die kummervolle, ferne Stimme. »Bringst du mir eine Botschaft oder hast du dich bloß verirrt … wie ich. Bringst du mir Nachricht von meinem Bruder? Nein, es wäre nur eine grausame Täuschung! Die Kälte ist zu groß, die Nacht ist zu leer … Lass mich allein, der Gedanke an die Lebenden verbrennt mich … er verbrennt mich. Ach, dieser Schmerz!«
Mit einem gedämpften, widerhallenden Klagelaut begann die Erscheinung sich schneller und schneller zu drehen und verschwand aus Traumjägers Blick.
Wieder umfing ihn Dunkelheit.
Plötzlich spürte er etwas unter seinen Pfoten, obgleich die undurchdringliche Dunkelheit nicht nachgelassen hatte. Er versuchte sich festzuklammern, sich in diesem greifbaren, festen Gegenstand zu verbergen. Er war wie Erde, etwas, das man berühren konnte – er war außer ihm alles, was es in dieser ungeheuren, schwarzen Stille gab. Einen Augenblick lang. Bis er fühlte, dass noch etwas anderes da war.
Irgendwo,
Weitere Kostenlose Bücher