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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Feierlichkeit und Bedeutung seiner Rolle. Sie folgten ihm wie Schlafwandler durch die verschlungenen Gänge von Erstheim.
    Sie schlüpften durch ein dichtes Gehege silbriger Birken und kamen in einen kleinen Hohlweg hinunter. Dort, im gebrochenen Licht des einzigen breiten Strahls, der aus dem Auge durch das dichte Blätterdach zu Boden fiel, sahen sie die Gestalten vieler Katzen, die am unteren Rand des winzigen Hohlweges kauerten und deren runde Augen das Licht widerspiegelten. Eine mächtige Gestalt tauchte eilig aus den Schatten auf.
    »Aha, dies also ist das Paar? Sie werden noch früh genug an die Reihe kommen.« Es war Schnurrmurr, der beleibte Großkämmerer, dessen Kopf sich beim Sprechen neigte wie eine Weide im Wind. »Man darf niemals zulassen, dass sie einfach nach vorn marschieren – es gibt da genaue Vorschriften, musst du wissen. Du, Heulsang, überlasse sie mir. Du kannst im Hintergrund auf sie warten.«
    Heulsang schien ein wenig enttäuscht, doch er fügte sich und wünschte ihnen viel Glück. Sie folgten dem hüpfenden, murmelnden Hofkämmerer, der sie zur Sohle einer der Seitenwände des Hohlweges geleitete – in die Nähe des Lichts.
    »Ihr bleibt hübsch hier, bis ich euch rufe. Bis dahin seid ihr mucksmäuschenstill. Es gibt noch andere, die vor euch an derReihe sind, und die Zeit Ihrer Sanftheit ist sehr kostbar. Verhaltet euch nur still, ihr Kleinen.« Schnurrmurr eilte davon, und sein fetter Leib schwabbelte hin und her. Frittis Blick folgte Schnurrmurr durch den winzigen, engen Hohlweg. Der Kämmerer begab sich in die Mitte einer Schar fellschimmernder, vorzüglich gestriegelter Katzen, die vermutlich die wichtigen Leute bei Hofe waren. Vor ihnen saßen zahlreiche andere Katzen der verschiedensten Art. Eine davon – ein großer, prächtig gestreifter Bursche – strahlte sogar in Ruhestellung eine gelassene und selbstbewusste Würde aus, die Fritti an Zitterkralle erinnerte.
    Auf einem erhöhten, grasbewachsenen Platz am Ende des Hohlweges, den die Zweige und Blätter einer riesigen Eiche überdachten, saßen Seite an Seite Zaungänger und Taupfote. Zaungänger trug einen solchen Ausdruck von Langeweile und Unruhe zur Schau, dass Fritti im Dunkeln lächeln musste. Wie sehr doch diese Art, seine Zeit zu verbringen, die Vagabundenseele des Prinzen einengen musste!
    Neben Zaungänger lag der Prinzgemahl, dessen würdevolle Miene stillen Humor verriet, dessen Augen jedoch abwesend und sorgenvoll blickten, als sei ein Sturm im Anzug.
    Im Mittelpunkt der Erhöhung und in der Mitte des Lichtkegels saß Königin Mirmirsor Sonnenfell, in einen Strahlenglanz getaucht wie ein Traumwesen.
    Auf den ersten Blick glaubte Fritti einen Springbrunnen, eine Waldquelle zu erblicken. Sie war rein, strahlend weiß, und ihr langes, weiches Fell stand nach allen Seiten ab wie die Samendolden des Löwenzahns. Neben ihr stand eine kleine Tonschale, die irgendwie von den Behausungen der
M’an
hergebracht worden war. Vor Frittis staunendem Blick saß der Spross des Hauses von Harar mit gekrümmtem Rücken und vorgebeugtem Kopf da, ein Bein ausgestreckt – die Pfote anmutig in die Luft getaucht wie die lieblichen Zweige der Birken, die ihren Hof umrahmten.
    Sie zwickte sich zierlich ins Hinterbein.

14. KAPITEL
    Hinauf zum hohen Kapitol …
    Seinem fahlen Hof der Schönheit und Fäulnis …
     
    Percy B. Shelley
     
    W ährend der langen Stunde der Tiefsten Stille wurde man am Hof von Harar in Audienz empfangen. Königin Sonnenfell, behaglich zwischen den Wurzeln der großen Eiche – dem
Vaka’az’me
– hingelagert, hörte alle, die vor sie traten, geduldig an. Mit nachlassendem Interesse sah Traumjäger zu, wie eine ganze Prozession vor den Sitz trat und um Gehör nachsuchte. Landesangelegenheiten nahmen den größten Raum ein, doch es gab auch Bestätigungen von Namen oder Segenswünsche für
Felas
, die schwanger waren. Über alldem thronte die Königin, entrückt und unentwegt strahlend wie ein Stern.
    Endlich waren alle Bittsteller, erfreut oder enttäuscht, in der Nacht verschwunden. Die Königin gähnte ausgiebig, doch anmutig, und machte mit ihrem Schwanz ein Zeichen. Schnurrmurr hastete stolpernd hinauf auf die kleine Erhöhung und beugte sich zu ihr nieder. Die Königin flüsterte träge etwas in sein geschecktes Ohr, und er nickte beflissen mit dem Kopf. »Ja, Herrin, das ist richtig, vollkommen richtig«, schniefte der alte Hofkämmerer.
    »Wohlan denn, wollen wir ihn nicht selbst hören?«,

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