Traumjaeger und Goldpfote
und verfilztem Gestrüpp. Als sie sich von der schmalen Brücke entfernten und das Rauschen der Katzenjaul hinter ihnen verklang, umfing sie das kalte Schweigen des Landes wie ein Nebel.
Mit Ausnahme einiger Vögel, die zuweilen stumm über ihre Köpfe hinwegflogen, gab es keine Zeichen tierischen Lebens.Die Brise, die Frittis Barthaare kitzelte, trug ihm nichts zu als frostige Luft und schwache Dunstspuren vom Fluss.
Auch Raschkralle schnüffelte neugierig den Wind, ehe er sich an Traumjäger wandte, um sich seinen Eindruck bestätigen zu lassen. »Ich wittere niemanden aus dem Volk, Traumjäger. Ich wittere so gut wie gar nichts.«
»Ich weiß, Raschkralle.« Traumjäger blickte in die Runde. »Eine so unfreundliche Gegend habe ich noch nie gesehen.«
Dachschatten warf Fritti einen bedeutsamen Blick zu und sagte: »Ich bin sicher, dass wir im Rattblatt-Wald auf Leben stoßen werden, sei es auch nur mittendrin.« Fritti machte sich Gedanken über ihren Blick. Ich nehme an, sie will nicht, dass ich Raschkralle Angst mache, dachte er.
Im Lauf ihres Marsches überkam Fritti ein merkwürdiges Gefühl. Es war ein unmerklicher Reiz, etwas höchst Beunruhigendes am äußersten Rand seiner Wahrnehmung. Er witterte ein schwaches Brummen oder Summen – doch es war so fein und wesenlos wie das Geräusch eines Bienenstocks, der hundert Meilen entfernt ist. Aber es war da – und fast unmerklich wurde es stärker.
Als sie haltmachten, um im Schutz eines stehenden Steines, der den Wind abhielt, zu ruhen, fragte er seine Gefährten, ob sie ebenfalls etwas gewittert hätten.
»Noch nicht«, erwiderte Dachschatten, »doch ich habe erwartet, dass du der Erste sein würdest. Es ist gut, dass du so etwas kannst.«
»Wie meinst du das?«, fragte Fritti verwirrt.
»Du hast gehört, was Knarrer sagte, was Zaungänger sagte. Irgendetwas geht in diesen wilden Landen vor, und darum sind wir hier. Besser, wenn wir es wittern, bevor es uns wittert.«
»Was ist das für ein Etwas?« Raschkralles Augen glänzten vor Neugier.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Dachschatten, »aber es ist etwas Schlechtes. Es ist
Os
, wie ich es zuvor nicht kannte. Ich habees kennengelernt, als ich das Heim meiner Familie fand. Wenn wir uns in sein Gebiet begeben – und wir sind mittendrin –, sollten wir uns wenigstens in diesem Punkt nichts vormachen.«
Während Dachschatten hochaufgerichtet und mit festem Blick sprach, fragte sich Fritti unwillkürlich, wie sie wohl ausgesehen haben mochte, bevor sie ihre Sippe verlor. Sie war eine Jägerin, daran bestand kein Zweifel, doch die Härte, die sie zur Schau trug, schien mehr durch Kummer als durch andere Gründe verursacht zu sein. Ob sie wohl jemals lachen oder tanzen würde? Es schien albern, sich das auszumalen, doch er hatte sie schließlich mit dem kleinen Raschkralle spielen sehen. Vielleicht würde sie eines Tages fröhlicher sein. Er hoffte es.
Sie wanderten eine Zeitlang in den Abend hinein, und als Tiefklars Auge hoch über ihnen stand, hielten sie an, um zu ruhen. Das Summen, noch immer kein deutliches Geräusch, schien näher gekommen und durchdringender geworden zu sein, und sogar Dachschatten und Raschkralle spürten etwas – eine Art Strömung unter ihren Pfoten. Nachdem sie eine Weile erfolglos gejagt hatten, überließen die drei Katzen der einsamen Wildnis den Sieg und rollten sich zu einem pelzigen Haufen zusammen, um zu schlafen.
Traumjäger zog seine Nase unter Raschkralles Hinterbein hervor und schnüffelte benommen die Luft. Das Auge war hinter den Horizont geschlüpft, und der Tau der Stunde des Letzten Tanzes lag feucht auf seinem Fell. Irgendetwas hatte ihn aufgeweckt. Aber was?
Indem er versuchte, seine schlafenden Gefährten nicht zu stören, wand er seinen Kopf aus den verschlungenen warmen Leibern wie eine
Hlizza
, die sich hochringelt.
Das Summen, das merkwürdige Pulsieren, das er bis ins Mark spürte, hatte die Tonhöhe geändert. Es war jetzt ein wenig schwingender – nicht näher, aber schärfer.
Er hatte eine starke, durchdringende Empfindung. Irgendetwas außerhalb des Bereichs der Wärme beobachtete sie. Traumjäger fröstelte und hielt seinen Kopf bewegungslos aufrecht, und selbst in seiner Furcht war ihm bewusst, dass es eine unbequeme Haltung war.
Plötzlich, als wäre er in kaltes Wasser gefallen, überfloss und durchströmte ihn eine mächtige Woge von Einsamkeit – es war nicht die eigene. Irgendein Lebewesen trug diese grässliche Einsamkeit
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