Traumjaeger und Goldpfote
Schmalsprung-Furt – eine schmale, gewölbte Brücke aus gewachsenem Fels, welche die Hararschramme überspannte. Die gegenüberliegende Wand der Schlucht war so weit entfernt, dass Schmalsprung in der Mitte zu einem Nichts zu schrumpfen schien.
Raschkralle warf einen besorgten Blick auf die steinerne Brücke. »Ich schätze, wir müssen da rüber, stimmt’s, Traumjäger?«
Fritti nickte. »Entweder das, oder wir müssten versuchen, in die Hararschramme hinunterzuklettern und an ihrem Grund die Katzenjaul zu überqueren. Dieser Gedanke gefällt mir nicht sonderlich.«
»Es ist der einzige Weg, der uns jetzt bleibt«, sagte Dachschatten ruhig. »Knarrer sagt, bis zum Ende der Schlucht seien es viele, viele Meilen. Außerdem bezweifle ich, dass diese Brücke das Schlimmste sein wird, das uns bevorsteht. Wollen wir gehen?«
Traumjäger betrachtete die
Fela
aufmerksam.
Ich glaube nicht, dass sie so ruhig ist, wie sie uns weismachen will, dachte er. Mein Schnurrbart sagt mir, dass auch sie sichfürchtet. Vielleicht noch mehr als wir. Aber es gibt viele Arten von Mut, vermute ich.
»Dachschatten hat recht, Raschkralle«, sagte er. »Packen wir’s an.«
Als sie die mächtige Eiche hinter sich hatten, deren Wurzelstöcke die eine Seite der gewölbten Brücke zu verankern schienen, übernahm Fritti die Spitze. Raschkralle folgte ihm, und den Schluss bildete Dachschatten, die das Kätzchen sorgfältig im Auge behielt.
Die Schmalsprung-Brücke war breiter, als es aus der Entfernung aussah – so breit, dass drei Katzen nebeneinander darauf hätten gehen können –, und anfangs war das Gehen ziemlich einfach. Jedoch das feuchte Wetter und die kühlen Temperaturen hatten den Stein stellenweise vereisen lassen. Traumjäger und seine Freunde bewegten sich langsam und sehr vorsichtig.
Als sie ein Stück auf die Brücke hinausgegangen waren, fielen unter ihnen die Wände der Schlucht steil ab, und das Grollen und Tosen der Katzenjaul stieg empor und erfüllte die Luft. Die Gefahr, auszugleiten, wurde größer, und das Getöse des Flusses übertönte die meisten anderen Geräusche. Ohne ein Wort und im Gänsemarsch überquerten sie die Schlucht wie Raupen, die über einen dünnen Zweig krochen.
Ungefähr in der Mitte der steinernen Brücke spürte Fritti, wie der Wind, der durch die Schlucht pfiff, ihn kräftig packte und an seinem Fell zerrte. Plötzliche Böen zwangen ihn zu ein paar schwankenden Schritten.
Er blieb stehen und drehte sich langsam nach seinen Gefährten um. Raschkralle war einen oder zwei Sprünge hinter ihm, und Dachschatten war dem Kätzchen dicht auf den Fersen, einen Ausdruck grimmiger Konzentration auf ihrem ernsten, grauen Gesicht. Als Traumjäger wartete, blieb auch Raschkralle stehen und spähte von der Brücke in die Schlucht hinunter.
»Traumjäger, Dachschatten!«, rief er gellend durch den Wind.»Ich kann unter uns einen Vogelschwarm sehen! Unter uns! Wir sind höher als die
Fla-fa’az!
« In seiner Aufregung beugte er sich gefährlich weit hinaus, um das Schauspiel besser genießen zu können. Frittis Herz raste vor Angst, so dass er meinte, es schwölle immer mehr an und raubte ihm den Atem.
»Raschkralle! Geh da weg!«, fauchte er. Raschkralle zuckte zusammen, sprang vom Rand der Brücke zurück, kam auf dem schlüpfrigen Stein ins Rutschen und glitt aus. Dachschatten, jetzt unmittelbar hinter dem Kätzchen, packte es blitzschnell beim Nackenfell. Unter ihrem sicheren und harten Biss entfuhr Raschkralle ein Schmerzensschrei, doch sie hielt ihn so lange fest, bis seine suchenden Pfoten wieder Halt gefunden hatten. Darauf warf sie Traumjäger einen Blick zu, der ihn dazu bewog, ohne ein Wort zu verlieren den Weg über die Brücke fortzusetzen.
Auf dem abwärts führenden Teil der Brücke verlor Dachschatten in einer schweren Böe sekundenlang den Halt, doch es gelang ihr, sich so lange festzuklammern, bis die Gefahr vorüber war.
Während der ganzen Zeit brüllte und lärmte die Katzenjaul zu ihnen hinauf: drei unscheinbare, kleine Wesen auf einem dünnen Strang über den gewaltigen Wassern. Als sie schließlich die gegenüberliegende Seite erreichten, plumpsten die drei mit zitternden Gliedern zu Boden und lagen dort einige Zeit, bis sie weitergehen konnten.
Die Landschaft auf dieser Seite von Schmalsprung war öde und unterschied sich nicht von der auf der anderen. Vom Rand der Schlucht streckte sich ein Gewirr von Felsen und Erdhügeln vor ihnen aus, durchsetzt mit Unterholz
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