Traumjaeger und Goldpfote
den Hügel umkreisend wie kleine Planeten eine graue, tote Sonne, schritten die Gefährten behutsam aus und hielten sich dicht beieinander. Als die Sonne hoch in den Himmel stieg und ein trübes Licht auf das Tal warf, wurden am entfernten Rand der großen Schale kleine Gehölze sichtbar. Ein ausgedehntes Waldgebiet erstreckte sich bis zum Horizont.
»Das muss der Rattblatt-Wald sein«, sagte Dachschatten. Traumjäger war überrascht, wie laut ihre Stimme klang, nachdem sie lange geschwiegen hatten.
»Sieht nach einem ziemlich langen Marsch aus«, fuhr sie fort, »aber dort wird es sicherlich Schutz für uns geben.«
»Gewiss«, pflichtete Fritti ihr bei. »Verstehst du, Raschkralle? Denk daran! Bäume zum Kratzen, Quieker zum Jagen – alles!«
Raschkralle lächelte schwach und murmelte: »Ich danke dir, Traumjäger. Ich werde mir Mühe geben.« Sie setzten ihre Wanderung fort. Gegen Ende der Stunde der Kleinen Schatten flog ein Schwarm großer, dunkler Vögel über sie hinweg. Einer davon löste sich aus der Schar der anderen, stieß herab und kreiste über den Katzen. Er hatte funkelnde Augen und ein Federkleid von glänzendem Schwarz. Mühelos schwebte er einen Augenblick ganz dicht über ihren Köpfen; dann, einen höhnischen Schrei ausstoßend, schwang er sich empor zu seinen Gefährten. Krächzend verschwanden sie aus ihrem Blickfeld.
Als der Tag sich zu neigen begann, waren sie nahe genug an den Rattblatt-Wald herangekommen, um die Wipfel einzelner Bäume unterscheiden zu können, die über den Rand des Tales hervorlugten. Als die Nacht näher rückte, schien das Gefühl der Feindseligkeit zuzunehmen, das der schattige Haufen auf dem Talgrund ihnen einflößte.
Traumjäger fühlte das Klopfen tief in seinem Inneren, und nur indem er das Gebet des Erst-Gehers ohne nachzudenken immer aufs Neue wiederholte, gelang es ihm, seinen Drang zu unterdrücken, loszuspringen und wegzurennen, bis er erschöpft zu Boden fallen würde. »Tangalur, feuerhell«, murmelte er vor sich hin. »Flammenfuß, weitschweifender …« Raschkralle und Dachschatten schienen diese Feindseligkeit nicht ganz so stark zu empfinden wie er, doch sie sahen angespannt und erschöpft aus. Der Wald war nun zur Gänze sichtbar, ein meilenweites Meer von Bäumen hinter dem schalenförmigen Tal. Er wirkte sehr warm und einladend.
Als schließlich die Sonne zu sinken begann und die Spitzen der Baumwipfel in goldenes Licht tauchte, beschleunigten sieihre Schritte und zwangen ihre Körper zu noch größeren Anstrengungen. Als die Sonne am Horizont hinter die fernste Baumlinie sank und nur noch ihr rötlicher Hof sich am Himmel behauptete, erhob sich ein schneidend kalter Wind; er biss in ihre Nasen und presste ihr Fell an die Leiber.
Traumjäger erhöhte seine Geschwindigkeit, während Dachschatten und Raschkralle ihm kaum noch zu folgen vermochten. Das Summen, das er wahrnahm, schwoll an; er fühlte sich elend. Ein ungeheures, gestaltloses Entsetzen schien nach ihren Fersen zu schnappen. Einer nach dem anderen begannen die drei zu rennen.
Schließlich galoppierten sie den steilen äußeren Hang der Talwand hinauf, und als sie oben waren, blickten sie hinunter auf den Rand des Rattblatt-Waldes. Jetzt achteten sie nur noch auf die zunehmende Bedrohung, die ihnen folgte, stolperten den kurzen Hang hinab, flitzten über die steinige Ebene und verschwanden endlich unter den Randbäumen des Waldes.
Der Rattblatt-Wald lag im Schlummer … zumindest schien es so. Eine träge, abgestandene Stille hing in der Luft. Während Traumjäger und seine Gefährten erschöpft durch die Bäume schlichen, lastete das Schweigen des Waldes so schwer auf ihnen wie ihr eigenes Schicksal.
Kaum hatten sie den Wald erreicht, waren Fritti und Raschkralle kurz davor gewesen, wo sie standen zu Boden zu fallen, doch Dachschatten bestand darauf, dass es wichtiger sei, einen Platz zu finden, der gegen Kälte und Entdeckung besser geschützt sei. Obgleich der Hügel nunmehr außer Sicht war, hatte sich sein Bild doch in ihren Köpfen festgesetzt. Vor Erschöpfung stöhnend, gingen sie auf den Vorschlag der
Fela
ein und drangen tiefer in den Wald vor.
Während sie sich ihren Weg durch den feuchten Lehm suchten, vorbei an Mooshügeln und Pilzen, ließen sich die Katzenvon der Stille, die sie umgab, anstecken. Sie hielten die Köpfe gesenkt, bewegten sich langsam und blieben häufig stehen, um die Nasen zu kräuseln und die unbekannten Gerüche dieses Waldes zu
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