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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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denn es schlägt eben zwölf. Aber natürlich wollte sie noch ein bißchen hereinkommen. Bei solchem Ereignis muß sie doch mitreden. Und horch – da kommt sie schon mit den Gläsern!“
    Ich trat ihr entgegen. Ihre Wangen waren gerötet, und ich glaubte eine leichte Verlegenheit in ihren Zügen zu lesen, als sie das Tablett absetzte und mir die Hand reichte.
    Ich brachte nur die Worte hervor: „Wann – wann denn kommt der Gehirnspiegel zur Veröffentlichung?“
    Sie sah mich mit den schönen Augen freundlich an und sagte verständnisvoll: „Nicht wahr, es ist eine große Sache? Aber etwas unheimlich. Und morgen – bestimmt morgen, sagte der Onkel, sende er sein Manuskript ab.“
    „Morgen!“ rief ich. „Das wird ein Wendetag in der Kulturgeschichte!“
    „Morgen?“ sagte Arwed. „Das ist ja schon heute!“ Er hatte die Gläser gefüllt. „So laßt uns anstoßen auf die neue Kunst, auf den Gehirnspiegel!“
    Die Gläser klangen zusammen. Gewohnheitsmäßig entfernte ich das abgelaufene Blatt vom Wandkalender. Er zeigte jetzt – den ersten April.

 
Die Weltprojekte
     
    LEGENDE (1908)
     
    Als die Welt geschaffen wurde, mußte selbstverständlich zuvor das Projekt sein.
    Natürlich nicht bloß eins. Es gab unendlich viele mögliche Welten in unendlich vielen möglichen Räumen. Und da es sich um eine wichtige Sache handelte, so hatten die Oberengel den Auftrag, sie sämtlich bis ins einzelne auszuarbeiten. Die Zeit drängte nicht, denn das Maß der Erddrehung war noch nicht erfunden, und so gedachte der Herr, die beste aller möglichen Welten auszusuchen, um sie als die einzig wirkliche Welt zu schaffen.
    Die beste erkannte er freilich auf den ersten Blick. Darin gab’s nämlich gar keinen Widerspruch, keine Reibung, keine Störungen, keine Schmerzen, keine Dummheiten; nichts als blitzblaue Seligkeit und Zufriedenheit; und dabei wußte niemand, womit er eigentlich zufrieden war. Denn alle waren immer einig, und es war ganz unmöglich, sich über etwas zu ärgern.
    Schon wollte er diese Welt des höchsten Glücks aller ausführen, als er sich erst den Kostenanschlag ansah. O weh! Die vollkommenste Welt war leider die teuerste von allen. Sie war wirklich zu teuer. Sie brauchte nämlich einen fortwährenden baren Zuschuß, weil ja kein Wunsch unbefriedigt bleiben durfte. Das konnte sich nur eine Aktiengesellschaft leisten, und die ließ sich nicht schaffen; auch wäre die Welt sonst nicht mehr vollkommen gewesen.
    Es wurden also die zu teuren Welten von vornherein ausgeschieden, ebenso die zu billigen, denn die waren Schundware. Dann noch ein paarmal engere Wahl, und schließlich behielt der Herr zwei übrig. Er nannte sie Projekt A und Projekt B. Die wurden in Lebensgröße ausgeführt.
    Zunächst sollten sie nun einmal Probe laufen.
    Es wurde also die Gesamtenergieverteilung für den Anfangszustand zur Zeit Null eingestellt, und dann wurde die Zeit angelassen. Zuerst bei der Welt A. Da ging’s los, und die Welt schnurrte ab, daß es eine Freude war.
    Als das so ein paar Dezillionen Jahre gedauert hatte, was ja doch bei einem Weltversuch noch nicht viel sagen will, da machte der Herr eine kleine Stichprobe. Er griff mal so gerade in eins der unendlich vielen Milchstraßensysteme hinein, holte sich eine Sonne heraus, nahm einen von ihren Planeten und betrachtete sich das Zeug näher, das darauf wuchs und herumkrabbelte. Es sah beinahe aus wie auf unserer Erde.
    „Wie gefällt’s euch da?“ fragte der Herr. „Ist’s nicht ’ne schöne Welt?“
    „Danke der gütigen Nachfrage“, antwortete eine Stimme. „Will mal nachsehen.“
    „Was? Nachsehen? Ihr werdet doch wissen, wie’s euch gefällt?“
    „Ich will im Gefühlskalender nachschlagen, was ich zu antworten habe. Hier steht’s schon: Eine schauderhafte Welt ist es.“
    „Was soll das heißen?“
    „Ich will mal im Verstandeskalender nachschlagen. Also: Wegen der absoluten Gesetzmäßigkeit der mathematischen Logik, die dem Weltprojekt zugrunde gelegt ist, sind alle Ereignisse und alle Gefühle von vornherein bestimmt, und man kann sie sowohl für die künftige wie für die vergangene Zeit in den automatischen Reproduktionsregistern aufsuchen. Wenn ich also wissen will, warum ich meine Ansicht habe, so brauche ich bloß –“
    „Aber was willst du damit gewinnen? Du mußt doch selbst entscheiden –“
    „Was ich will? Ich werde im Willenskalender nachschlagen –“
    „Ich meine, warum ihr die Welt schauderhaft findet.“
    „Eben

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