Traumkristalle
so.“
Damit nahm er die beiden Weltmodelle und setzte sie der Bequemlichkeit wegen ineinander in die Himmelsrumpelkammer.
Nach ein paar Dezillionen Jahren blickte der Herr zufällig wieder in diese Ecke und merkte, daß die beiden zurückgesetzten Welten im Gange waren.
Er rief sich die beiden Engel und fragte, wer sich denn erlaubt habe, die Zeit anzulassen, so daß die Welten weiter Probe liefen.
„Ich habe nur meine übrige Zeit genommen“, sagte der vom Projekt A etwas ängstlich.
„Ich auch nur meine“ – sagte der von Projekt B desgleichen.
„Ja“, riefen sie beide, „wir wollten bloß einmal versuchen, welche es besser aushält, wenn sie gleichzeitig liefen.“
„So?“ sprach der Herr gütig. „Da wollen wir doch einmal nachsehen, was daraus geworden ist.“
Und er griff wieder in das kombinierte Weltsystem und holte sich einen Bewohner heraus. Daß er immer den richtigen traf, verstand sich ja von selbst.
„Nun?“ fragte er. „Wie geht’s bei euch jetzt?“
„Ausgezeichnet“, antwortete der Mensch; denn ein solcher war es.
„Wie kommt das? In der Welt A jammerten sie doch, es sei alles so notwendig bestimmt, daß nichts geändert werden könnte, und in der Welt B klagten sie, weil alles, man mag sich ausdenken, was man wolle, gleich da sei und deshalb nichts Festes zusammenstimme.“
„Ja, Herr, das haben wir eben ausgeglichen. Wir haben aus den beiden Welten eine neue gemacht, unsere eigene. Wir bilden nämlich eine besondere Gesellschaft für Weltverbesserung.“
„Das wäre! Wie denn?“
„Sehr einfach. Die Welten laufen nun mal, darauf sind wir angewiesen. Aber nun nehmen wir aus B die Phantasie, und aus A nehmen wir das Gesetz. So bewirken wir die Ergänzung. Was wir als wünschenswert vorstellen, machen wir auch wirklich und das Unabänderliche nutzen wir zum Vernünftigen!“
„Nicht übel! So steuert ihr ja gerade auf die vernünftige Welt los, die ich erwarte. Na, so mögt ihr sie euch denn selber schaffen, ich will sie bestätigen. Und wer bist du denn eigentlich?“
„Ich bin der Ingenieur.“
Der Traumfabrikant
Es hatte eben dreizehn geschlagen und im mittleren Deutschland fing es an zu dunkeln, wenn auch die staatliche Zentralbeleuchtung und die neu eingeführte Weltzeit, die sich nach dem Meridian von Washington richtete, über die Tatsächlichkeit eingetretener Dämmerung hinwegzutäuschen suchte. An dem Untergange der Sonne ließ sich nichts ändern, weder durch neue Gesetze, noch durch internationale Verträge, und das war freilich sehr bedauerlich, wenn man bedenkt, wieviel Zeit durch die schlechte Angewohnheit der Sonne, die Hälfte des Jahres unter dem Horizont zu sein, für die produktive Arbeit verloren geht. Da die Menschen wieder einmal unzufrieden waren, so suchten sie nach einem Prügelknaben für ihre eigene Jämmerlichkeit, und es entstand die Partei der Antisomnisten oder Schlaffeinde, welche den allnächtlichen Schlummer als die kulturuntergrabende Gewalt anklagten und befehdeten. Aber das war nur ein schnell bereuter Narrenstreich des höheren Pöbels, dessen hohläugige Gesichter bald anzeigten, was sie ohne den „Schmarotzer“ Schlaf waren. Indes blieb es nicht zu leugnen, daß die Gewohnheit des Schlafens zugenommen hatte. Man schlief mehr, wie früher. Sobald dies statistisch festgestellt worden, erschien der Coppernikus des Schlafproblems, welcher die große Frage durch ihre Umkehr löste und dem alternden Europa einen neuen Völkerfrühling verhieß, wenn es sich dem intensiven Massenschlafe zu huldigen entschlösse. Die Biomystik, eine neue Stufe der veralteten Biologie, hatte die Entdeckung gemacht, daß die Tendenz der menschlichen Entwickelung nach der Seite des Schlaf- und Traumlebens gerichtet sei. Daß der Mensch mit der rauhen Wirklichkeit zurecht kommen könne, hatte sich als eine Täuschung der Realisten erwiesen; je mehr die Kultur fortschritt, um so ohnmächtiger stand sie den Forderungen des Tages gegenüber, um so weniger vermochte sie den neuen sozialen Problemen gerecht zu werden. Aber die Natur reguliert sich bekanntlich selbst. Was die Kultur nicht leisten konnte, schien der Organismus übernehmen zu wollen. Der moderne Mensch schlief, er schlief viel mehr als der Mensch des neunzehnten Jahrhunderts, welcher doch zweifellos schon verschlafener war als der antike Mensch. Mehr schlafen, mehr träumen! Das war die einfache biologische Lösung des großen Kulturrätsels, auf welche die Philosophen des
Weitere Kostenlose Bücher