Traumkristalle
bebenden Lippen es leis’
Und flüstern: Entfliehe dem Spähen und Lauern,
Noch birgt sich die Liebe, wo niemand es weiß.
Uns ward ein Geheimnis, das keines durchbricht,
O gräme dich nicht!
Wohl kenn’ ich ein Reich, kein König besitzt es,
Ich hab’ es gegründet für dich allein.
In goldigem Schimmer funkelt und blitzt es,
Dort führ’ ich als wonnige Herrin dich ein.
Dort glüht uns des Märchens unsterbliches Licht!
O gräme dich nicht!
Dem Winke gehorchend im schillernden Kleide
Umschwebt dich der Träume lebendiger Tanz;
Es leuchtet im Haar als Fürstengeschmeide
Dir meiner Lieder frisch blühender Kranz!
Dort will ich dir dienen in zärtlicher Pflicht –
O gräme dich nicht!
Ich weiß es nicht, wo die Geliebte weilt
Und was sie schafft mit den geweihten Händen,
Wer ihres Wandels holde Nähe teilt,
Wem ihre Augen, ach, mein Glück verschwenden!
Ob sie in Sorgen wacht, ich weiß es nicht,
Ob sie das schöne Haupt geneigt zum Schlummer –
Vielleicht, o Gott, gebeugt der strengen Pflicht
Muß jetzt sie lächeln unter ihrem Kummer.
Doch weiß ich eins: Mit ihrem Schmerz allein
Wildschluchzend bebt sie auf in heißem Sehnen –
Ich weiß, auch sie – auch sie gedenket mein
Und heimlich trocknet sie die stillen Tränen.
Es ist mein Stern aus seiner Bahn gegangen,
Und seiner Pole Umsturz ward vollbracht.
Nun wandel’ ich am Tage traumbefangen
Und grübelnd bang durchwach’ ich meine Nacht.
Ich blick’ empor, und meine Sinne irren
Befremdet in der dunklen Welt umher.
Sind es nur Nebel, die den Weg mir wirren,
Sperrt ewig ihn das abgrundtiefe Meer?
Noch glüht ein Schimmer mir aus Wolken nieder,
Ein ferner Hoffnungsstrahl, der sie durchbricht.
O raub’ ihn nicht! Gib mir das Leben wieder!
Geliebte Sonne, gönne mir dein Licht!
Das Bild war ihrer Hand entfallen. Mit Erstaunen sah ich, daß es den Menschen darstellte, an welchem sie heute so kalt vorübergegangen war. Und jetzt – unbegreiflich – erfaßte sie wieder das Bild und drückte ihre Lippen darauf – gerade wie es der Mensch mit jener Haarlocke gemacht. Ich weiß jetzt, daß dies das Zeichen der höchsten Billigung bei den Menschen ist, wie aber ist es erklärlich, daß sie dies bei dem Menschen tat, den sie eben so schlecht behandelt hatte? Dabei rannen Tropfen aus ihren Augen. Jetzt begann sie selbst zu schreiben. Auch ihre Zeilen hatte ich Zeit genau zu studieren.
Lieber teurer Freund!
Freuen Sie sich nicht, daß Sie einen Brief von mir erhalten, er wird Ihnen eine Enttäuschung bringen, aber es muß sein. Es ist mir klar geworden, ich kann das Leben nicht mehr ertragen, das ich führe, es ist ein Leben der Lüge. Ich betrüge meine Eltern, ich betrüge die Ihrigen, und so lebe ich in einer ewigen Furcht vor Entdeckung. Schon ist meine Mutter mißtrauisch geworden, ich habe Sie deswegen gemieden – so schwer es mir wurde. Es muß noch Schwereres geschehen, ich darf Sie nicht wiedersehen. Ich weiß keinen andern Weg. Eine Entdeckung wäre mir entsetzlich, und wir würden dann unter Schimpf und Schande getrennt. Das wird Ihre Liebe nicht mir zumuten wollen. Darum trennen wir uns freiwillig. Denn der andere Weg, daß wir den Unsern unsere Liebe bekennen, daß wir alles auf uns nehmen und der Welt um unserer Liebe willen trotzen, der ist uns verschlossen. Nie wird mein Stolz gestatten, daß Sie um meinetwillen die glänzende Laufbahn aufgeben, zu der Sie bestimmt sind, daß Sie die Pflichten versäumen, welche Sie dem Leben schulden, daß Sie alle Schranken durchbrechen, um im Kampfe mit Not und Elend sich ein neues Dasein zu gründen – und anders wäre es nicht möglich, das wissen Sie. Und daß ich auch die Meinigen für immer verlieren würde, wenn ich Ihnen, dem Fremden, dem Andersgläubigen folgte – Nein, es kann nicht sein, und Sie selbst könnten es nicht, wenn Sie auch wollten. Ihre Liebe ist nicht für die Ewigkeit. Sie werden Lydia bald vergessen. Ich weiß, die Zeit ist nicht fern, in welcher ein anderes Bild das meinige aus Ihrem Herzen verdrängt -- Werden Sie glücklich, es ist besser so.
Ich weiß, wie schuldig ich bin, ich durfte Sie nicht anhören, wenn Sie so lieb sprachen – aber Gott weiß, in Ihrer Nähe hatte ich alles vergessen, was ich sagen wollte und mußte. Verzeihen Sie mir. Nie werde ich wieder gegen einen Mann freundlich sein, das sei meine Buße. Ich liebe Sie, ich will Sie lieben wie einen Freund und Bruder und Ihnen mein
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