Traumlawine
schien so unwirklich, als würde es sich schon im nächsten Moment als bloßes Trugbild erweisen. Trotzdem hallte der Klang ihrer zögernden Schritte unter der Brücke wider.
Fremde Mauern nahmen sie auf. Sie durften sich den Drynen getrost anvertrauen.
5.
Warnend legte Steinmann Sadagar einen Finger an seine Lippen. Das leise Knirschen des Drachenboots, als er es aus den Verankerungen löste, ließ ihn zusammenzucken. Angespannt sah er sich um. Aber niemand war in der Nähe.
»Wenn du noch länger zögerst, werden sie dich bald erwischt haben«, flüsterte der Königstroll.
»Du meinst: uns«, berichtigte Sadagar. »Warum hilfst du mir nicht, anstatt dumm daherzureden?«
Sein Begleiter blieb ihm die Antwort schuldig. Doch völlig unverhofft löste sich das Drachenboot. Sadagar, der sich mit allen Kräften dagegengestemmt hatte, verlor den Halt und schlug der Länge nach hin.
Nexapottl schien sich ausschütten zu wollen vor Lachen, und seine spöttische Miene wurde gar eine Spur breiter, als Sadagar ihn von unten her vorwurfsvoll anstarrte.
»Das warst du.«
»Was?«
»Tu nicht so, als wüßtest du von nichts. Das Boot hat sich bestimmt nicht von selbst bewegt.«
»Wenn ich richtig gesehen habe, hast du dich wie ein Verrückter dagegengestemmt.«
»Ich?« Der Steinmann rappelte sich auf. Seine Stimme wurde zunehmend lauter. »Das kannst du vielleicht mit Gerrek machen, aber nicht mit mir.«
»Willst du uns mit deinem Geschrei die ganze Meute auf den Hals hetzen?« Nexapottl streckte einen Arm aus und deutete auf das ebene Sargoz, das sie in einigen tausend Körperlängen Entfernung passieren würden.
Sadagar nickte resignierend, dann schwang er sich in das Drachenboot.
»Wenn du alles besser weißt, könntest du auch rudern«, bemerkte er bissig.
»Zeige ruhig, was in dir steckt.«
Rasch blieb Carlumen dann hinter ihnen zurück.
»Wenn unser Verschwinden bis jetzt unbemerkt blieb«, sagte Sadagar erleichtert, »können sie uns nicht mehr folgen.«
Als hätte seine Feststellung einen Bann gebrochen, wurden auf der Fliegenden Stadt Rufe laut. Amazonen erschienen an der Wehr und winkten heftig.
»Ich weiß nicht, was sie wollen.«
»Wir sollen umkehren.«
»Wirklich?« Steinmann Sadagar zog die Ruder ein und legte die Hände trichterförmig vor den Mund. »Wir folgen Mythor«, rief er.
Auf Carlumen schien man ihn nicht zu verstehen. Jedenfalls wurden Anstalten getroffen, ein weiteres Boot auszuschicken.
»Nein!« brüllte Sadagar. »Wir wollen alleine bleiben!«
Mit aller Kraft legte er sich in die Riemen, um einen möglichst großen Vorsprung zu erreichen. Die Menschen an Bord der Fliegenden Stadt waren kaum mehr größer als Ameisen.
»Da«, sagte der Königstroll. »Sie haben wohl eingesehen, daß Carlumen zu schnell ist, um es wieder einzuholen.«
»Hoffentlich«, bemerkte Sadagar erleichtert. Ein unterdrücktes Niesen folgte.
»Du mußt es beniesen«, sagten er und Nexapottl wie aus einem Mund. »Das bedeutet Glück.«
»Wieso ich?« machte der Troll verwundert.
»Wer sonst?« erwiderte der Steinmann. Er schien fest entschlossen, sich auf kein neuerliches Streitgespräch einzulassen. Jedenfalls schwieg er von da an. Seine Augen suchten die vor ihnen liegende Insel ab, die so eben war, als hätte tatsächlich ein einziger Schwertstreich beide Hälften voneinander getrennt. Mit ihren schroffen Felsstürzen, den Vorsprüngen und bizarren Gipfeln, stand die untere Seite in krassem Gegensatz dazu.
Sadagar, der seine Arme schwer werden fühlte, ließ das Boot einfach treiben. Schließlich wurde es von einer sanften Luftströmung erfaßt, die gen Land wehte.
»Na also«, brummte er. »Weshalb nicht gleich so?«
»Du machst es dir zu leicht.«
»Bitte, Nexapottl. Wenn du willst, räume ich die Ruderbank für dich.«
Der Troll winkte unwillig ab.
»Ich glaube nicht, daß die Strömung uns dort absetzt, wo du es gerne hättest.«
»Einfach abwarten.« Sadagar grinste listig. »Ich sage dir, daß wir genau da ankommen werden, wo ich es will. Meine Prophezeiungen sind noch immer eingetroffen.«
»Na ja«, dehnte Nexapottl ungläubig.
Kurz darauf erfaßte ein Wirbel das kleine Boot und riß es mit sich. Der Steinmann stieß einen entsetzten Aufschrei aus, als alles um ihn her plötzlich in rasender Bewegung begriffen war.
Die schwere Luft strömte unter Sargoz hindurch. Im Nu war das Boot abgesackt, wurde unaufhaltsam mitgezerrt, den scharfkantigen Felsen entgegen.
»Du wolltest nicht
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