Traumlawine
hinzudeuten, daß die Piraten einen großen Raubzug unternahmen. Sadagar fragte sich, was es auf Sargoz Wertvolles geben könnte. Ihm fiel der DRAGOMAE-Kristall ein, den Glair erwähnt hatte.
Der Troll wälzte dieselben Gedanken.
»Mythor und Fronja schweben in höchster Gefahr«, sagte er. »Wenn sie in einen Hinterhalt laufen, nutzen ihnen die besten Klingen nicht mehr viel.«
Der zweite Raum war angefüllt mit Fässern und Truhen verschiedenster Art. Nexapottl öffnete einige von ihnen. Wertvolle Stoffe quollen ihm entgegen, berauschende Gewürze und funkelnde Steine. Zwei Fässer waren prallvoll mit köstlichem Salz. Kein Zweifel, daß es sich bei alldem um Beute aus etlichen Raubzügen handelte.
»Sieh dir das an!«
Steinmann Sadagar hatte eine bauchige, gläserne Flasche entdeckt, die sorgfältig verschlossen abseits aller Kostbarkeiten stand. Ihr Inhalt schimmerte weiß und schwamm in wässriger Flüssigkeit.
»Yhr soll mich verschlingen, wenn das nicht das gleiche seltsame Zeug ist, das in dem fremden Schiff gefunden wurde.«
»Sei bloß vorsichtig damit.«
Sadagar preßte die Lippen zusammen, bis alles Blut aus ihnen gewichen war.
»Wir haben es also mit Piraten zu tun, deren Mut groß genug ist, eine ganze Schiffsbesatzung im Schlaf niederzumetzeln.« Angewidert spie er aus. »Ich hätte Lust, alles niederzubrennen.«
Ehe er die Flasche allerdings zerschlagen konnte, fiel Nexapottl ihm in den Arm.
»Hast du vergessen, was der Hepton von diesem Zeug berichtet hat? Wenn du das Schiff in Brand steckst, werden die Piraten sich bitter an uns rächen. Machen wir uns lieber auf die Suche nach Mythor.«
»Was wird aus dem Drachenboot?«
»Wir stoßen es in den Wirbel, damit es zerschellt. Oder willst du die Piraten mit Gewalt auf uns aufmerksam machen?«
Steinmann Sadagar ließ die bauchige Flasche in einer Tasche seiner grauen Pluderhose verschwinden. Sie verließen das Schiff wieder über die Strickleiter.
»Du läufst wie auf Eiern«, stellte Nexapottl spöttisch fest. »Vielleicht solltest du dein Diebesgut lieber zurücklassen. Und hoffentlich gehst du nicht unverhofft in Flammen auf.«
»Das laß meine Sorge sein.«
Immer wieder blickten sie sich um, bis sie ihr Boot erreichten. Aber alles blieb ruhig.
»Unsere Vorräte nehmen wir mit«, sagte Sadagar.
Er zog einen Packen Dörrfleisch unter der Ruderbank hervor. Tastend fuhr seine Hand dann zum zweiten Mal in die enge Nische.
»He«, machte er überrascht.
»Was ist?« wollte der Troll wissen.
Sadagar wurde einer Antwort enthoben, als sich überraschend ein roter Haarschopf unter der Bank hervorschob. Ein sommersprossiges Gesicht folgte.
»Joby«, machte der Steinmann. »Wie kommst du hierher?«
»Das siehst du doch.« Der Junge streckte sich und gähnte herzhaft. »Verdammt eng da drin.«
»Du hast mir gerade noch gefehlt.«
»Tut mir leid, Sadagar. Ich dachte, du könntest mich vielleicht brauchen.«
»Dich? Einen kleinen, vorlauten Dieb?«
»Was hast du dagegen, Großer? Da, wo ich herkomme, gehört alles jedem.«
»Muß ein feines Land sein, deine Heimat. Aber was machen wir nun mit dir?«
»Zurückschwimmen kann ich nicht. Du wirst mich wohl oder übel mitnehmen müssen.«
Sadagar seufzte.
»Dann mache dich wenigstens nützlich. Du kannst unseren Proviant tragen. Aber wehe, ich erwische dich dabei, wie du heimlich davon ißt.«
*
Wenig später, nachdem ihr Drachenboot im Wirbel der Schweren Luft verschwunden war, brachen sie auf. Anfangs kamen sie gut voran, doch schon bald wurde der Boden morastig. Unzählige kleine Tiere flohen vor ihnen.
Dürres Gehölz säumte ihren Weg. Die knorrigen Äste trugen keine Blätter, sondern waren von einer gelben Schicht überkrustet, die zum Teil bizarre Formen angenommen hatte.
»Kristalliner Schwefel«, stellte Nexapottl fest.
Es gab die unterschiedlichsten Gebilde. Hier hing der Schwefel in dicken Trauben von den Bäumen herab, dort hatten sich mannshohe Säulen gebildet, und wieder anderswo schien er zu dünnen, faltigen Vorhängen erstarrte, die wie Zerrspiegel wirkten.
Joby fand das alles wunderbar. In dieser Hinsicht besaß er noch die Naivität eines Kindes.
Dampf stieg aus Bodenspalten auf. Es stank abscheulich, aber mit der Zeit gewöhnte man sich daran.
Das Land war gleichmäßig eben und ohne die kleinste Erhebung.
Trotzdem reichte die Sicht nie weiter als wenige Dutzend Schritte.
Mit der Zeit wurde es merklich wärmer. Schwärme von Stechfliegen stürzten sich auf
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