Traumlawine
auf mich hören«, jammerte der Troll, sich krampfhaft festhaltend. »Das hast du jetzt davon.«
Sadagar achtete nicht auf ihn. Mit hastigen Ruderschlägen versuchte er, dem Sog zu entrinnen. Das Boot kippte, drohte umzuschlagen.
»Schneller!« rief Nexapottl. »Du schaffst es.«
Ein Felsvorsprung…
Krachend schrammte das Drachenboot daran vorbei; die Bordwand wurde aufgerissen.
Trotzdem stieß Sadagar geistesgegenwärtig mit dem Ruder zu, stemmte sich gegen den Fels und drückte so das Boot mit dem Heck herum. Für wenige Augenblicke wurde der Sog schwächer. Der Steinmann nutzte die Zeit, um wieder Höhe zu gewinnen. Jeden Moment konnte der »Fisch« vollends zerschellen, dann wären sie hilflos den Gewalten des Sturmes ausgesetzt gewesen.
»Nexapottl, hilf…!«
Der Schweiß rann ihm in Strömen über den Körper, er bemerkte es nicht einmal. Ein Ruder splitterte, er nahm den Stumpf, um das Boot erneut von der zerklüfteten Felswand abzustoßen, und ließ ihn dann achtlos fallen.
Wieder setzte eine wirbelnde Bewegung ein, die Sadagar nicht verhindern konnte. Ihm wurde schwarz vor Augen, sein Magen drohte sich umzustülpen. Wie aus weiter Ferne vernahm er einen entsetzten Aufschrei. Aber es war nicht die Stimme des Königstrolls.
Hatte er selbst den Schrei ausgestoßen? Er würgte. Seine Finger verkrallten sich in der Ruderbank.
Doch irgendwie nahm er wahr, daß es aufwärts ging.
Schlagartig wurde alles ruhig. Das Drachenboot schwebte keine zehn Schritte von der Ebene entfernt. Sadagar war nicht in der Lage zu begreifen, und erst Nexapottls hastig hervorgestoßene Worte ließen die Starre von ihm abfallen.
»Du sollst rudern, bei allen Geistern der Schattenzone!«
Der Königstroll zitterte am ganzen Körper. Sadagar verstand, daß er das Boot aus dem Wirbel gelöst hatte. Hastig stieß er das Ruder abwechselnd rechts und links von der Bordwand in die Schwere Luft. Als der »Fisch« endlich mit dem Kiel auf Grund lief, konnte er nicht mehr. Seine Arme waren schwer wie Blei, und sein Körper wurde von Übelkeit geschüttelt.
»Komm schon!« forderte Nexapottl ihn auf. »Sehen wir uns das Schiff an, das dort drüben liegt.«
Sadagar hatte es noch gar nicht entdeckt – vielleicht, weil es gut hundert Schritte weiter landeinwärts lag. Aber schon sein erster Eindruck fiel denkbar schlecht aus.
Das Schiff war schwarz wie eine sternenlose Nacht über Tainnia. Es lag vertäut zwischen üppig wuchernden Kriechpflanzen. Sein Rumpf glich in etwa einem halbierten Faß, war jedoch ungleich länger. Ungefähr zehn Mannslängen, schätzte der Steinmann. Und die beiden Masten maßen gut das Doppelte.
Aber nicht das war es, was ihn erschreckte, sondern die Galionsfigur, die ihn hämisch anzustarren schien. Ein übergroßer, bleicher Totenschädel. An Stelle der Augen saßen doppelt faustgroße, rotglühende Steine.
Nexapottl packte Sadagars Rechte und zerrte ihn mit sich.
»Das Schiff riecht förmlich nach Piraten. Wenn du nicht willst, daß wir ihnen in die Hände fallen, dann komm.«
»Aber nicht dahin…«
»Komm schon. Wenn jemand an Bord wäre, hätten sie uns längst überfallen.«
Das war ein Argument, dem Sadagar sich nicht verschließen konnte. Er hatte Mühe, dem Troll zu folgen.
Eine Strickleiter hing an der Bordwand herab.
»Du zuerst!« bestimmte Nexapottl.
»Wieso ich?«
»Stell dich nicht so an, geh schon!«
Seufzend fügte Sadagar sich in sein Schicksal. Eine bedrückende Aura umgab das Piratenschiff, ein Hauch des Todes.
Nur widerstrebend kletterte er die Strickleiter hinauf. Niemand war an Deck. Bemüht, jegliches Geräusch zu vermeiden, schwang Sadagar sich über die Reling. Und er ließ seinem Begleiter den Vortritt.
Nexapottl öffnete eine zwischen den Masten befindliche Falltür. Hölzerne Stufen führten in den Bauch des Schiffes hinab.
»Du willst da hinunter?« Unruhig fuhr der Steinmann sich mit der Hand durch sein weißblondes, lichtes Haar. »Wir sollten lieber zusehen, daß wir schnellstens die andere Hälfte von Sargoz erreichen.«
»… und geradewegs den Piraten in die Hände laufen?«
Sadagar wirkte betreten. Diese Möglichkeit hatte er nicht in Erwägung gezogen.
Auch unter Deck hielt sich niemand auf. Es gab nur zwei abgeteilte Räume. In dem einen befanden sich Strohlager für die Mannschaft. Dreizehn, zählte der Steinmann. Sie hatten es also mit einer Übermacht zu tun, der sie hilflos ausgeliefert sein würden.
Das verlassene Schiff schien darauf
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